Meinung

Verbaute Perspektive

Blick auf die Siedlung Ma’ale Adumim, die neben dem E1-Gebiet liegt Foto: copyright (c) Flash90 2016

Es sind nur knapp 3500 neue Wohnungen, die östlich von Jerusalem errichtet werden sollen, und doch verbauen sie wortwörtlich die Perspektive auf eine Zweistaatenlösung: Denn sollten die Hügel zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim israelisches Siedlungsgebiet werden, würde das Westjordanland letztlich in Norden und Süden geteilt.

Das bedeutet für die Palästinenser vor Ort nicht nur, dass die Wege zur Arbeit, zu den Verwandten, zwischen den zwei bevölkerungsreichsten Städten Hebron und Nablus immer weiter und komplizierter werden. Sondern auch, dass ein ohnehin geteiltes Gebiet, nämlich das Westjordanland und der Gazastreifen, für das man sich in Oslo noch eine Staatlichkeit vorstellen konnte, nun gedrittelt wird.

Jahrzehntelang hatten israelische Regierungen die Siedlungspläne für die nur etwa zwölf Quadratkilometer große Fläche verschoben: Das Projekt ist auch innerhalb Israels umstritten, zudem war der internationale Druck groß. Doch nun schaut die israelische Opposition verständlicherweise nach Gaza und kämpft um die Geiseln, die dort immer noch von der Hamas gequält werden, und in der US-Botschaft in Jerusalem sitzt ein Diplomat Donald Trumps, der sich als evangelikaler Christ für die Besiedlung des Westjordanlands ausgesprochen hat.

Der israelische Minister Smotrich will die Idee eines palästinensischen Staates beerdigen

Und so wurden die Pläne für das »E1«-Gebietes diese Woche genehmigt. Dass es dabei nicht vordergründig um ein Zuhause für 3500 jüdische Familien geht, stellte der rechtsextreme Minister Bezalel Smotrich selbst klar: Man wolle »die Idee eines palästinensischen Staates endgültig beerdigen«. Smotrich will wohl der UN-Generalversammlung im September zuvorkommen, bei der viele Staaten ihre formelle Anerkennung des Staates Palästina bekanntgeben möchten. »Es wird nichts mehr geben, das anzuerkennen ist«, sagte er.

Das ist nicht nur eine düstere Aussicht für die moderaten Palästinenser, die sich nicht als ewige Flüchtlinge an das Versprechen einer terroristischen und genozidalen »Rückeroberung« Israels durch die Hamas klammern wollen, sondern einen funktionierenden Staat an der Seite ihres Nachbarn anstreben. Es ist zudem auch keine Lösung für alle Israelis, die einen Frieden wollen, der nicht auf Vertreibung beruht, sondern auf einer Aussöhnung, so schwer es nach dem Trauma des 7. Oktober, nach Terror und Intifada auch fällt.

Wer nur von radikalen Siedlern ausgeht, liegt falsch

Was immer klar sein muss: Juden haben selbstverständlich innerhalb Israels alles Recht zu leben, zu wachsen, zu bauen – auch wenn immer mehr Menschen weltweit ihnen dies gänzlich absprechen. Und sie brauchen natürlich bezahlbaren Wohnraum. Die Frage ist, wo die Regierung diesen schafft.

Wie häufig so falsch dargestellt, sind die Siedlungen nicht nur attraktiv für Radikale, die ihre arabischen Nachbarn am liebsten selbst verjagen würden, sondern auch für viele israelische Familien, die sich eine Wohnung in Jerusalem schlicht nicht mehr leisten können, und teilweise auch freundschaftliche Beziehungen zu eben jenen Nachbarn aufgebaut haben.

Es geht auch nicht darum, Juden abzusprechen, dass sie eine enge und historische Verbindung zum Westjordanland haben, das in Israel viele Judäa und Samaria nennen. Es ist übersät mit Orten, die schon im Tanach erwähnt werden, mit uralten Mikvaot, Gräbern und Synagogen, Spuren jüdischen Lebens, die über zweitausend Jahre zurückgehen.

Lesen Sie auch

Aber: Jetzt muss eine politische Lösung gefunden werden, die Palästinenser vor der Vertreibung schützt und Israelis Sicherheit und Ruhe schenkt. Es wäre wünschenswert, dass es im Rahmen eines Friedensprozesses den Israelis wieder möglich wird, jene jüdischen Stätten ohne Angst zu betreten. Ebenso sollten Palästinenser die Orte besuchen dürfen, an denen ihre Urgroßeltern lebten.

Diese langfristige Vision der befreundeten zwei Staaten, zwischen denen Bewegungsfreiheit herrscht, muss am Horizont der Nahostpolitik sichtbar bleiben, auch wenn sie derzeit so weit weg scheint wie nie. Es sind nur 3500 neue Wohnungen, die nun östlich von Jerusalem errichtet werden sollen. Es wäre politisch sinnvoll, sie dort zu bauen, wo sie dem Frieden nicht das Fundament weggraben.

Nahost

Welthunger-Monitor erklärt Hungersnot in Gaza - COGAT widerspricht

Die israelische Regierung weist die Einschätzung scharf zurück. Von »schwerwiegenden methodischen Fehlern« spricht die zuständige Behörde. Sie wirft den Autoren des Berichts Nähe zur Hamas vor

von Imanuel Marcus  22.08.2025

Jerusalem

Israel verweigert Barcelonas Bürgermeister die Einreise

Hintergrund sind Entscheidungen des Stadtrates der katalanischen Hauptstadt, unter anderem die Städtepartnerschaft mit Tel Aviv zu beenden

 22.08.2025

Jerusalem

Westjordanland: Mike Huckabee betont Israels Entscheidungsfreiheit

Es sei kein Völkerrechtsverstoß, »wenn Israelis in Judäa und Samaria leben«, sagt der amerikanische Botschafter in Israel

 22.08.2025

Medien

Fiktion statt Fakten

Matti Friedman hat viele Jahre für die Nachrichtenagentur AP berichtet. Der Journalist kennt die Probleme der Gaza-Berichterstattung aus erster Hand

von Gunda Trepp  22.08.2025

Berlin

Nouripour: Stopp von Waffenexporten an Israel »kurzsichtig«

Nicht nur in der Union gibt es Kritik an der Entscheidung des Kanzlers, Rüstungslieferungen an Israel einzuschränken. Ein prominenter Grünen-Politiker verweist auf gegenseitige Abhängigkeiten

 22.08.2025

Nahost

Netanjahu: Offensive in Gaza-Stadt wird auch mit Verhandlungen fortgesetzt

Israels Premier betont: »Der Krieg könnte heute enden, wenn Hamas ihre Waffen niederlegt und die verbleibenden 50 Geiseln freigibt«

 22.08.2025

Nahost

Im Libanon festgehaltener Israeli zurückgebracht

Der Israeli musste ein Jahr im Libanon verbringen – wie er dorthin gelangt ist, ist noch immer unklar

 21.08.2025

Nachrichten

Proteste, Verhandlungen, Autopsie

Kurzmeldungen aus Israel

von Ralf Balke  21.08.2025

Nahost

Angehörige: Militärischer Druck tötet die Geiseln

Die israelische Armee erreicht Vororte von Gaza-Stadt. Angehörige der Geiseln in der Gewalt der Hamas fürchten um ihre Familienmitglieder

 21.08.2025