Küf Kaufmann

»Unser Ozean ist die Demokratie«

Küf Kaufmann Foto: picture alliance/dpa

Ich würde sagen, dass eine Demokratie im Idealfall mit einem Ozean der Macht der Menschen verglichen werden kann. Ein Ozean. Das ist ein schönes Bild, das klingt schön, das plätschert schön. Wenn alles ruhig ist. Die Luft ist frisch. Sonnenunter- und Sonnenaufgänge sind atemberaubend. Die Fantasie nimmt uns mit auf eine Seereise in die Ferne – auf einem Boot vielleicht oder auf einem großen Schiff.

Groß ist der Ozean der Macht der Menschen! Seine Ausmaße sind schier grenzenlos, seine Horizonte wunderschön. Ja, aber es gibt ein Problem – dieser Ozean ist nicht immer ruhig. Manchmal wird er unruhig, manchmal stürmisch und manchmal ist er so aufgebracht, mit so hohen Wellen, dass du dich mit deinem Boot oder deinem Schiff unter Wasser befindest. Und nicht immer kannst du sicher sein, dass die feindseligen Strömungen abflauen und du wieder die dringend benötigte frische Luft schnappen kannst. Und genau dann wirst du seekrank. Dir wird übel. Du musst dich übergeben.

Es ist schwer, nach vorn zu schauen. Dichter Nebel verdeckt den Horizont. Du suchst nach einem Weg aus dem Sturm. Du schaust auf den Kompass, die Karte. Du hämmerst mit der Faust auf die Navigationsinstrumente, aber du wirst von fremder Hand getragen. Die Wellen steuern dich auf Riffe zu, auf Eisberge, in seichtes Wasser. Das ist beängstigend.

Die Erinnerung steckt in unserer DNA: »Hast du vergessen, was schon mehr als einmal passiert ist?«

Die Erinnerung steckt in unserer DNA: »Hast du vergessen, was schon mehr als einmal passiert ist?« Die kleine Enkelin meines Freundes, die Fetzen von Gesprächen ihrer Eltern mithört, sagt mit kindlicher Überzeugung: »Aber es gibt keinen anderen Planeten für uns?« Ja, einen anderen Planeten gibt es nicht. Doch auch wenn unser Schiff gerade geschüttelt wird, so sinkt es noch nicht. Wir manövrieren, wir schalten den Motor ab, hissen die Segel und …

Und ich glaube, dass wir heil herauskommen werden. Wir sehen den Silberstreifen am Horizont. Und wie schön ist doch der Ozean selbst. Wie schön ist der Ozean der Macht der Menschen! Das ist unser Ozean – die Macht der Menschen – die Demokratie! Jede Alternative zur Demokratie ist eine direkte Bedrohung für die Demokratie als Ganzes, eine direkte Bedrohung für jeden Einzelnen von uns allen! Es gibt keine Alternative zur Demokratie! Die friedliche Revolution in Deutschland begann im Osten. Der Tag beginnt im Osten. Am 1. September beginnt im Osten Deutschlands ein neuer Tag – hoffentlich ohne Alternative!

Ja, wir Juden sind ein kleiner Teil der Wählerschaft, aber wir müssen – wir müssen – ein gesunder Teil des gesellschaftlichen Organismus sein und bleiben. Ohne jede Alternative! Der Ozean der Macht der Menschen wird all das Unnötige, das der Sturm mit sich brachte, an ein menschenleeres Ufer schwappen lassen, und die Brise wird es in eine unbekannte Richtung wegtragen. Ohne Rückkehr – das wäre wünschenswert.

Der Autor ist Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden.

Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Der Außenminister behauptet in einem Interview, die Bundesregierung sei nicht auf Erkenntnisse israelischer Spionagedienste angewiesen. Mit dieser Falschaussage riskiert er das Leben vieler Menschen in Europa

von Remko Leemhuis  11.10.2025 Aktualisiert

Meinung

Warum die Netanjahu-Hasser die ganze Zeit falsch lagen

Wir sollten jenen danken, die eine Rückkehr der restlichen Hamas-Geiseln ermöglicht haben – egal wie unpopulär dies im Fall des israelischen Ministerpräsidenten sein mag

von Imanuel Marcus  10.10.2025

Meinung

Das peinliche Schweigen der Linkspartei zu Trumps Gazadeal

Die Reaktion der Linken auf das absehbare Ende des Kriegs ist ein Offenbarungseid. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Partei den Konflikt mehr braucht als den Frieden

von Jessica Ramczik  10.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Meinung

Bleiben Sie hier, Frau Ministerin Prien!

Warum jetzt nicht die richtige Zeit ist, über »gepackte Koffer« zu reden – auch nicht für den Fall eines AfD-Bundeskanzlers

von Ayala Goldmann  09.10.2025

Kommentar

Gebt Donald Trump den Nobelpreis!

Mit Druck und unkonventionellen Methoden hat der US-Präsident geschafft, was anderen Politikern im Nahen Osten immer verwehrt blieb: einen echten Deal. Dafür verdient er Anerkennung

von Michael Thaidigsmann  09.10.2025

7. Oktober

»Deutschland steht fest an Ihrer Seite!«

Jüdische Menschen können sich darauf verlassen, dass wir Demokraten entschieden gegen jeden Judenhass kämpfen: Ein Gastbeitrag von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)

von Alexander Dobrindt  06.10.2025

Kommentar

Friedrich Merz sollte endlich nach Israel reisen

Zwei Jahre nach den Massakern vom 7. Oktober sollten die Hoffnungen der Geisel-Angehörigen, ihre Liebsten wiederzusehen, nicht nur auf Donald Trump ruhen, sondern auch auf dem Bundeskanzler

von Jan Philipp Burgard  06.10.2025

Meinung

Wenn sich Studenten zu einem Todeskult bekennen

Am zweiten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel beteiligt sich die »Student Coalition Berlin« an einer Kundgebung zur Feier der Massaker. Die Radikalisierung vieler studentischer Gruppen sollte die Universitäten alarmieren

von Klemens Elias Braun  06.10.2025