Awi Blumenfeld

Staatstragende Zersetzung

Awi Blumenfeld Foto: privat

Awi Blumenfeld

Staatstragende Zersetzung

Demokratisches Verständnis vortäuschen, um die Demokratie als Sprungbrett zu nutzen: das Beispiel Walter Rosenkranz

von Awi Blumenfeld  27.11.2024 15:35 Uhr

In Deutschland suchte die NSDAP nach Hitlers gescheitertem Bierhallenputsch 1923 eine neue Strategie. Man täuscht ein demokratisches Verständnis vor, um die Demokratie als Sprungbrett zu nutzen. In Österreich scheint sich dieses Vorgehen derzeit an Walter Rosenkranz beobachten zu lassen, dem neuen Nationalratspräsidenten von der FPÖ.

Er hält trotz scharfer Kritik am Vorsitz des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus fest, der NS-Opfer entschädigt und sich um die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe im Land kümmert. Der Nationalratspräsident ist Vorsitzender des Nationalfonds, so sieht es das Gesetz vor. Er halte das Gesetz ein, so Rosenkranz – »Gesetz ist Gesetz«. Was für ein Demokrat, mag man sich da denken.

Er hält sich Hintertüren offen, um der Konfrontation mit der jüdischen Gemeinschaft zu entfliehen.

Doch er hält sich Hintertüren offen, um der Konfrontation mit der jüdischen Gemeinschaft zu entfliehen: Im Krankheitsfall könne er sich bei den Sitzungen des Kuratoriums vertreten lassen. Wie er letztlich vorgehen werde, hänge auch von seinem Terminkalender ab, so Rosenkranz, doch grundsätzlich habe er vor, »diese Sitzung, für die ich vom Gesetz vorgesehen bin«, zu leiten.

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), der Bundesverband der jüdischen Gemeinden im Land mit IKG-Präsident Oskar Deutsch an der Spitze, sowie alle jüdischen Organisationen, Rabbiner und Führungspersonen weigern sich, an Sitzungen teilzunehmen, bei denen Rosenkranz den Vorsitz hat. Und das ist richtig so.

Wer wie Rosenkranz behauptet, der universitäre Antisemitismus während der Zeit des Nationalsozialismus sei eine Reaktion auf die überdurchschnittlich hohe Präsenz jüdischer Studenten gewesen, und sich von dieser Aussage nicht glaubhaft distanziert, mag jedes Gesetz einhalten, das er will – aber für uns Juden hat es einen fahlen Beigeschmack von Unehrlichkeit und Anbiederung. Und den Geruch eines Wolfs im Schafspelz.

Der Autor ist Historiker in Wien und Tel Aviv.

Meinung

Eurovision: Mobbing statt Musik

Eigentlich versteht jeder, dass Musiker nicht mit ihren Regierungen identisch sind. Wenn es um den jüdischen Staat geht, scheint diese Logik jedoch nicht zu gelten

von Sabine Brandes  07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Meinung

Zurück ins Mittelalter?

Die israelische Regierung will die Todesstrafe wieder einführen. Das ist geschichtsvergessen und verblendet

von Sophie Albers Ben Chamo  04.12.2025

Meinung

Wagenknechts Schiffbruch

Nur etwa zwei Jahre nach seiner Gründung steht das BSW vorm endgültigen Scheitern – eine gute Nachricht! Dennoch bleibt ein übler Nachgeschmack

von Ralf Balke  04.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Meinung

Wir Jungen müssen die Gemeinden stärker mitgestalten

Jüdische Studierende sind vom wachsenden Antisemitismus besonders betroffen. Gleichzeitig sind junge Juden kaum in den Gemeindevertretungen repräsentiert. Das muss sich ändern

von Ron Dekel  30.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  01.12.2025 Aktualisiert