Vyacheslav Dobrovych

Schoftim und die Justizreform in Israel

Vyacheslav Yosef Dobrovych Foto: privat

Vyacheslav Dobrovych

Schoftim und die Justizreform in Israel

Die Tora hat bereits vor Jahrtausenden ein System der Gewaltenteilung formuliert

von Vyacheslav Dobrovych  17.08.2023 09:36 Uhr

Spätestens seit Montesquieu und Locke ist die Gewaltenteilung ein fester Teil des europäischen Demokratieverständnisses. Legislative, Exekutive und Judikative werden voneinander getrennt, um eine Balance zwischen den Gewalten herzustellen.

Spannenderweise hat die Tora bereits vor Jahrtausenden ein System der Gewaltenteilung formuliert. So lesen wir an diesem Schabbat, dass nicht der König, sondern die Richter das Recht sprechen sollen. Korruption wird als Hauptgrund für Machtmissbrauch benannt (5. Buch Mose 16, 18–19).

machtmissbrauch Direkt im nächsten Kapitel wird das Konzept eines jüdischen Königs eingeführt. Diesem sind zusätzliche Verbote auferlegt. »Er soll auch nicht viele Frauen nehmen, dass sein Herz nicht abgewandt werde, und soll auch nicht viel Silber und Gold sammeln« (5. Buch Mose 17,17). Der König soll Gott und den Menschen dienen, statt seine Position zu missbrauchen. Wenn die Macht der Machthabenden nicht begrenzt ist, so droht ein Missbrauch der Macht – darin sind sich die Tora und die westlichen Philosophen einig.

Genau diesen Machtmissbrauch befürchtet nun ein sehr großer Teil der israelischen Bevölkerung aufgrund der geplanten Justizreform des Kabinetts von Premierminister Netanjahu. Der wegen Korruptionsvorwürfen belastete Regierungschef plant Reformen, die es dem Parlament künftig erlauben würden, bestimmte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu überstimmen.

Neben den Protestierenden gibt es auch einen erheblichen Teil der Bevölkerung, der Netanjahu unterstützt und die Gerichte als zu mächtig ansieht.

Neben den Protestierenden gibt es aber auch einen erheblichen Teil der Bevölkerung, der Netanjahu unterstützt, die Gerichte als zu mächtig ansieht und das Gefühl hat, die Gerichte setzen sich gegen den Volkswillen durch. Was also tun?

akzeptanz Die Wege der Tora waren immer »die Wege des Friedens« (Mischle 3,17). Ich denke, die erste Herausforderung, vor der unser Volk (ob in Israel oder außerhalb) steht, ist die radikale Akzeptanz und die bedingungslose Liebe des Gegenübers.

Egal ob jemand für oder gegen die Reform ist, es liegt alles an uns, eine echte Einheit und Liebe zu schaffen, um, Gott bewahre, einem Bürgerkrieg zu entgehen. Alle anderen Fragen sollten erst dann geklärt werden, wenn der Respekt wiederhergestellt ist – ansonsten könnte es sein, dass sich die jetzt geplanten Reformen rückblickend als das kleinste Problem erweisen.

Der Autor ist Religionslehrer und Sozialarbeiter der Jüdischen Gemeinde Osnabrück.

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025