Alexander Friedman

Putin, der antisemitische Nutznießer

Alexander Friedman Foto: privat

Im aktuellen Nahost-Krieg steht Moskau fest an der Seite von Israels Feinden. In der UNO versucht Russland den jüdischen Staat zu delegitimieren. Die Staatspropaganda hetzt gegen Israel, während der Kreml weiterhin Kontakte mit der Hamas pflegt und die Zusammenarbeit mit dem Iran ausbaut. Die Verstärkung antisemitischer Ressentiments, die Ende Oktober zu Gewaltausbrüchen im Nordkaukasus geführt hat, wird gelassen hingenommen.

Putins Kalkül ist offensichtlich: In seinem Kampf gegen den Westen will er sich Sympathien von Israels zahlreichen Feinden sichern und die Aufmerksamkeit von seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine ablenken. Israel soll zudem für seine proukrainische Position bestraft werden. Tradierte antisemitische Einstellungen in russischen Führungskreisen dürfen dabei ebenfalls eine Rolle spielen.

Als Hochburg des Antisemitismus gilt das russische Außenministerium: Der Außenminister Sergej Lawrow hat sich mit Spekulationen über Hitlers jüdische Herkunft blamiert. Der russische UN-Botschafter bei den Vereinigten Nationen Wassili Nebensja ist in Israel als »Stimme der Hamas« bekannt. Lawrows Pressesprecherin Marija Sacharowa wirft Israel nationalsozialistische Methoden vor, instrumentalisiert den Holocaust und geht den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj antisemitisch an.

Von häufig international erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen will die russische Diplomatie jedoch nichts wissen. Sacharowa behauptete neulich sogar, dass Moskau in der Tat Israels »wahrer Freund« sei – derjenige, der »richtige Sachen« anspreche und sich um eine dauerhafte Konfliktlösung bemühe.

Hamas-Partner Russland als Israels Freund? An Zynismus kaum zu überbieten. Marija Sacharowa knüpft dabei an die Rhetorik von Wladimir Putin an, der zwar inzwischen von direkten NS-Vergleichen vorsichtig absieht und den Krieg im Nahen Osten in erster Linie zur Selbstprofilierung nutzt.

Der Autokrat, der eine brutale Zerstörungspolitik in der Ukraine betreibt, stellt sich in seiner Pressekonferenz Mitte Dezember als vermeintlicher Menschenfreund dar: Während Israel in seinem Zerstörungswahn eine pauschale Vergeltung betreibe und vor allem Kinder töte, agiere Russland in der Ukraine bewusst behutsam, anständig und stets auf die Rettung der Zivilbevölkerung bedacht.

In der Ukraine und in Israel wird sporadisch betont, dass Russland vom Angriff der Hamas gewusst oder ihn sogar abgesegnet haben solle. Dafür gibt es bisher aber keine Beweise. Jedoch ist der Kreml offensichtlich einer der wichtigsten Nutznießer dieses Krieges. Ein zynischer antisemitischer Nutznießer.

Der Autor ist Historiker und Experte für die Geschichte der Juden in Osteuropa.

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