Igor Matviyets

Präventiv handeln

Igor Matviyets Foto: Florian Korb

Laut dem aktuellen Jahresbericht zu »Politisch motivierter Kriminalität« des Innenministeriums wurden 2019 etwa 2000 antisemitische Straftaten verübt – die wohl »berühmteste« in meiner Heimatstadt Halle, wo meine Gemeinde Ziel eines rechtsextremen Anschlags wurde.

Während ich auf der Arbeit war, startete Stephan B. wenige 100 Meter weiter einen Livestream, erklärte, dass Juden verantwortlich seien für alles Böse auf der Welt, und versuchte, die Synagoge zu stürmen – dank stabiler Tür erfolglos. Dabei erschoss der Täter eine zufällig vorbeikommende Passantin und später einen jungen Besucher eines Döner-Imbisses.

Diese grausame Tat unterscheidet sich von den meisten antisemitischen Straftaten nicht nur durch die Brutalität, sondern vor allem durch die öffentliche Reaktion.

3-D-TEST In diesem Fall musste nicht erst der Zentralrat der Juden oder der Bundesbeauftragte gegen Antisemitismus, Felix Klein, die Öffentlichkeit ermahnen. Für die meisten anderen Taten jedoch ist mehr Sensibilität nötig, um das antisemitische Motiv zu erkennen.

Das Bewusstsein für Antisemitismus sollte die deutsche Gesellschaft endlich in die Lage versetzen, präventiv tätig zu werden.

Nicht viele, die Antisemitismus grundsätzlich verurteilen, sind etwa selbst in der Lage, den simplen 3-D-Test für dessen Erkennen anzuwenden. Ein Bewusstsein dafür, was Antisemitismus ausmacht und wo dieser auf fruchtbaren Boden stößt, ist oft nicht vorhanden. Dabei sollte eben dieses Bewusstsein die deutsche Gesellschaft endlich in die Lage versetzen, präventiv tätig zu werden.

»JUDENSTERN« Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung und Rassismus sollten von Kindheit an Teil der Allgemeinbildung werden. Dann würde die Verwendung von »Judensternen« bei Anti-Corona-Demos einen größeren gesellschaftlichen Aufschrei bewirken. Und ich müsste nicht erst als Jude den Mitmenschen erklären, was daran antisemitisch ist.

Antisemitismus wird nicht einfach verschwinden, aber es wäre schon ein wichtiger Schritt, wenn der Kampf dagegen glaubhaft zum Kampf der Mehrheitsgesellschaft würde – mit staatlicher Finanzierung, Institutionen, Netzwerken. Und vielen engagierten Menschen nichtjüdischer Herkunft.

Der Autor ist SPD-Politiker in Halle.

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Meinung

Wieder ein Blankoscheck für Palästina?

Europa will Gazas Wiederaufbau finanziell fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, Millionen an Hilfsgeldern würden etwas zum Besseren verändern, fragt unser Autor

von Jacques Abramowicz  10.11.2025 Aktualisiert

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  06.11.2025

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer, wie der Imam, den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025