Esther Voet

Niederlande: Verhängnisvolle Liste

Esther Voet Foto: Claudia Kamergorodski

Esther Voet

Niederlande: Verhängnisvolle Liste

Der Fragebogen einer BDS-nahen Organisation für Universitäten geht entschieden zu weit

von Esther Voet  17.02.2022 08:33 Uhr

Ein deutlicheres Beispiel für die Verquickung von Antizionismus und Antisemitismus gab es selten: In ihrem Bestreben, niederländische Universitäten zu einem akademischen Israel-Boykott zu verleiten, forderte der hiesige BDS-Ableger »The Rights Forum« (TRF) in der vergangenen Woche Universitäten mit einem Fragebogen nicht nur dazu auf, Beziehungen zu israelischen Wissenschaftseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen, sondern ebenso zu vermeintlich pro-israelischen niederländischen Organisationen offenzulegen.

Ziel dieser Gruppe ist ein Boykott des einzigen demokratischen Staates im Nahen Osten. Wenn sie meinen. Doch TRF hat den Bogen überspannt. Denn aus ihrer Sicht sind auch jene Behörden und Organisationen verdächtig, die Antisemitismus bekämpfen, darunter der niederländische nationale Koordinator gegen Antisemitismus, Eddo Verdoner, sowie die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein. Sogar das niederländische Pendant zum Zentralrat der Juden, unser Centraal Joods Overleg, steht auf der – extrem langen – Liste.

tendenzen Das geht nicht nur entschieden zu weit, sondern beweist vor allem eines: die antisemitischen Tendenzen, die wir schon seit Längerem bei TRF wahrnehmen. Dass im Beirat viele frühere Politiker und Diplomaten sitzen – geschenkt. Es ist ohnehin ein marginaler Klub, den die Mehrheit der niederländischen Öffentlichkeit nicht ernst nimmt.

Die wirkliche Gefahr besteht darin, dass die niederländischen Universitäten der TRF-Forderung nachgegeben haben.

Die wirkliche Gefahr aber besteht darin, dass die niederländischen Universitäten der TRF-Forderung nachgegeben haben. Sie haben nicht genau hingeschaut, was da von ihnen abgefragt wurde. Mehr noch: Sie haben den Fragebogen ihren Mitarbeitern übergeben – ohne Fragen zu stellen.

UNWISSENHEIT Ich bin sicher, niemand von ihnen hat die Liste überprüft, geschweige denn die leiseste Ahnung, wer die Organisationen darauf sind. Wer außerhalb der jüdischen Gemeinschaft weiß schon, dass Magen David Adom das israelische Rote Kreuz ist? Oder was Simon-Wiesenthal-Zentrum, ADL und IHRA bedeuten?

Die Universitäten haben der Nachfrage entsprochen. Aus Unwissenheit, was dahinter steht. In einer Zeit, in der israelische und jüdische Studenten es nicht einmal wagen, sich als Juden zu erkennen zu geben, zeigt dieses Beispiel nicht nur die Verquickung von Antizionismus und Antisemitismus. Es steht auch für Elie Wiesels Warnung: Böses kann nur geschehen, wenn gute Menschen wegschauen.

Die Autorin ist Chefredakteurin der jüdischen Wochenzeitung »Nieuw Israëlietisch Weekblad« in Amsterdam.

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

Meinung

Warum die UNRWA seit 77 Jahren den Frieden in Nahost blockiert

Das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser verursacht erhebliche Probleme. Daher gibt es nur einen Weg

von Jusek Adlersztejn  27.10.2025

Meinung

Die Kälte der »Sozialreform«

Für die Haushaltslücken lässt die Bundesregierung wieder einmal die Schwächsten der Gesellschaft büßen. Jüdische Rentnerinnen und Rentner werden besonders hart getroffen

von Günter Jek  26.10.2025

Meinung

Liebe Juden, bleibt bitte zu Hause!

Immer mehr jüdische Veranstaltungen werden abgesagt – angeblich zum Schutz von Jüdinnen und Juden. So wird aus einer Einladung zur Kultur ein stiller Abgesang auf Teilhabe

von Louis Lewitan  23.10.2025

Glosse

Der Klinkenputzer der Islamisten

Jürgen Todenhöfer trifft sich in Katar mit Vertretern der Hamas zum Gespräch und verbreitet danach ihre Propaganda.

von Ralf Balke  22.10.2025

Meinung

Wer stoppt die Hamas?

Die Entwaffnung und Zerschlagung der palästinensischen Terrororganisation ist und bleibt der Schlüssel zum Frieden in Nahost

von Philipp Peyman Engel  22.10.2025

Meinung

Die Abkehr des Kanzlers von der Staatsräson: Kein Grund zur Trauer

Der von Altkanzlerin Angela Merkel geprägte Begriff war schon immer vage. Es ist auch wesentlich leichter, wohlklingende Erklärungen abzugeben, als danach zu handeln. Friedrich Merz sollte endlich Taten folgen lassen

von Daniel Neumann  22.10.2025

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025