Ingo Way

Monika Maron: Wo ist die Diskussionskultur?

Ingo Way Foto: Stephan Pramme

Ingo Way

Monika Maron: Wo ist die Diskussionskultur?

Ein Verlag trennt sich wegen der »falschen Gesinnung« von seiner Autorin. Das sollte in einer Demokratie nicht passieren

von Ingo Way  29.10.2020 09:29 Uhr

Die Entscheidung des Fischer-Verlags, sich von seiner langjährigen Autorin Monika Maron zu trennen, stößt erfreulicherweise auf Kritik von Schriftstellerkollegen und Journalisten. Als Grund für die Trennung hatte Fischer die Veröffentlichung eines Essaybandes von Maron im Verlag der Buchhändlerin Susanne Dagen angegeben, deren Bücher auch auf der Website des Antaios-Verlages, der der »Identitären Bewegung« nahesteht, zum Verkauf angeboten werden.

Da auch dem Fischer-Verlag bekannt sein dürfte, dass ein Autor wenig Einfluss darauf hat, über welche Online-Shops man seine Werke beziehen kann, drängt sich der Verdacht auf, dass Maron vor allem für ihre politischen Ansichten abgestraft werden sollte.

KRITIKERIN In den vergangenen Jahren war sie mehrfach als Kritikerin des Islam und der deutschen Flüchtlingspolitik hervorgetreten, was doch wohl Teil einer normalen Diskussionskultur sein sollte. Zudem soll, so hört man, auch ihr neuer Kurzroman Artur Lanz – oh Schreck! – »rechts« sein.

Einen Vertragsbruch ihrerseits konnte man Monika Maron schwerlich zum Vorwurf machen. Da auch ihr literarischer Rang unbestritten ist, ging es offenbar einzig um Gesinnung.

Marons Erstlingsroman »Flugasche« durfte in der DDR nicht erscheinen und wurde schließlich in Frankfurt am Main verlegt.

Die Ironie liegt darin, dass es der Fischer-Verlag war, der der seinerzeit in Ost-Berlin lebenden Autorin überhaupt erstmals die Möglichkeit geboten hat, sich frei zu äußern. Marons Erstlingsroman Flugasche durfte in der DDR nicht erscheinen und wurde schließlich in Frankfurt am Main verlegt.

Auch nachdem Maron 1988, nach jahrelanger Observation durch die Stasi, die DDR endlich verlassen konnte, hielt der Fischer-Verlag seiner Autorin die Treue. 1999 veröffentlichte sie dort auch Pawels Briefe über das Schicksal ihrer Familie in der Nazizeit.

GROSSELTERN Ihre Großeltern Pawel und Josefa Iglarz stammten ursprünglich aus Polen und wurden 1933 dorthin ausgewiesen; beide überlebten die Schoa nicht. Marons Mutter Hella Iglarz galt den Nazis als »Halbjüdin« und entging der Vernichtung wohl nur durch die militärische Niederlage NS-Deutschlands. Sich selbst bezeichnete die 1941 geborene Monika Maron einmal als »antifaschistisches Kind«.

Dass sie, nach all ihren Diktaturerfahrungen, ausgerechnet in der demokratischen Bundesrepublik noch einmal wegen der falschen Gesinnung und den falschen Kontakten zum Schweigen gebracht werden würde, hätte sich Monika Maron wohl nicht träumen lassen. Über den Zustand der Debattenkultur in Deutschland sagt das nichts Gutes aus.

way@juedische-allgemeine.de

Meinung

Die Flucht der arabischen Juden

Einst lebten viele Juden in der muslimischen Welt. Es ist wichtig, an ihre persönlichen Geschichten von Exil und Mut zu erinnern

von Tair Haim  27.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

Meinung

Ein Friedensplan, der keiner ist?

Die von den Amerikanern vorgelegten Punkte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sind kein fairer Vorschlag, sondern eine Belohnung für den russischen Aggressor

von Alexander Friedman  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zu Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Meinung

Alles muss ans Licht

Eine unabhängige Untersuchungskommission über die Terroranschläge des 7. Oktober ist ein Akt von Pikuach Nefesch

von Sabine Brandes  21.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025