Nicole Dreyfus

Macrons wahres Kalkül

Nicole Dreyfus Foto: Claudia Reinert

Nicole Dreyfus

Macrons wahres Kalkül

Der jüdische Staat hat im Moment eine wichtige Aufgabe: sich zu verteidigen. Sonst existiert Israel bald nicht mehr

von Nicole Dreyfus  09.10.2024 09:53 Uhr

Emmanuel Macron hat sich dafür ausgesprochen, die in Gaza eingesetzten Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. In einem Interview auf »France Inter« forderte er am Vorabend zu den Gedenkfeierlichkeiten des 7. Oktobers das Waffenembargo. Israels Premier Benjamin Netanjahu bezeichnete die Forderung als »Schande«. Paris bemühte sich um Schadensbegrenzung, ein weiteres Telefonat konnte die Differenzen nicht ausräumen. Dass Netanjahu mit harscher Rhetorik um sich wirft, ist das eine. Dass die Aussage Macrons am Vorabend des Jahrestages des 7. Oktober die Juden Frankreichs und alle anderen, denen der Kampf gegen den Terrorismus am Herzen liegt, schmerzt, das andere. Macrons Forderung ermutigt das rebellische Frankreich in seinem Radikalismus. Der französische Präsident zeigt damit gleichzeitig, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht seine erste Priorität darstellt.

Liegt Macron tatsächlich so etwas an einem Waffenstillstand? Steckt dahinter eigenes politisches Kalkül, seine Wählerschaft in der Banlieue nicht zu verlieren? Hatte er nicht auch aus demselben Grund kurz nach dem 7. Oktober 2023 darauf verzichtet, an einer großen Kundgebung gegen Antisemitismus in Paris teilzunehmen? Der französische Präsident kuscht, wenn es darum geht, jüdische Themen konkret anzusprechen und vergisst, wie die Führungspersönlichkeiten anderer westlicher Staaten, mit wem es Israel in diesem asymmetrischen Krieg zu tun hat.

Terroristen unnötig hofieren

Terrorgruppierungen sind keine Gesprächspartner auf diplomatischer Ebene. Sie werden sich kaum mit Israel an einen Tisch setzen und Waffenstillstandsverhandlungen zustimmen. Zu lange wurden sie vom Westen hofiert. Die Hamas, der Hisbollah und natürlich auch der Iran lachen sich ins Fäustchen. Es ist ihr erklärtes Ziel, Israel zu vernichten. Und wenn dies aufgrund von Druck von Staaten wie Frankreich, Deutschland oder der USA geschieht, umso besser für sie. Ist das im Sinne von »Nie wieder« und anderen abgedroschenen Floskeln wie »Israels ist unser Freund«? Diese ständige - völlig unnötige - Mahnung aus Europa, nun auch aus Frankreich, das Völkerrecht einzuhalten, legitimiert diese Terrorgruppierungen immer aufs Neue.

Der Aufruf, Israel die Waffen zu entziehen, ist kein Friedensakt, sondern läuft darauf hinaus, das Spiel der Hamas und der Hisbollah mitzumachen. Gleichzeitig wird mit unterschiedlichen Ellen gemessen: Man will zwar mit Terroristen verhandeln. Wieso ermahnt Manuel Macron denn nicht den Iran und die anderen Verbündeten dieser so genannten »Achse des Widerstands«, die Waffen niederzulegen? Israel lässt sich offensichtlich nicht reinreden. Ob man mit Benjamin Netanjahus rechtsnationaler Politik einverstanden ist oder nicht – der jüdische Staat hat im Moment eine wichtige Aufgabe: sich zu verteidigen. Sonst existiert Israel bald nicht mehr.

dreyfus@juedische-allgemeine.de

Meinung

Das letzte Wort zum »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht. In Gaza tut Israel, was es tun muss

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025