Seit Jahren wächst die Bedrohung gegen Journalisten und die Pressefeindlichkeit in unterschiedlichen Milieus. Die Angriffe reichen von Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung bis hin zu Körperverletzung. Für Reporter, die vor Ort recherchieren, auf Demonstrationen sind, gehört das mittlerweile zum Alltag. Vor einigen Jahren erreichte die Gewalt im Zuge der Coronapandemie mit Demonstrationen selbsternannter Querdenker eine neue Qualität. Dann kam der 7. Oktober 2023.
Seit dem antisemitischen Massaker der Hamas in Israel hat sich die israelfeindliche Szene radikalisiert. Hass und Vernichtungsfantasien, die dieses Milieu auf der Straße und auf Social Medie verbreitet, schlagen immer häufiger um in offene Anfeindungen gegenüber Journalisten.
In der Debatte wird eine »richtige« und eine »falsche« Seite imaginiert, Differenzierungen gibt es in dieser Weltsicht nicht. Wer nicht derselben Meinung ist, wird kurzerhand zum Angriffsziel erklärt. So hat es kürzlich »taz«-Journalist Nicholas Potter erlebt, der mit Aufklebern im Fahndungsstil und online angefeindet wird.
»Gerade jetzt braucht es Solidarität mit denjenigen, die sich der Aufgabe stellen, komplexe Konflikte einzuordnen.«
Das Ziel solcher Kampagnen ist klar: Nicht nur der Betroffene, sondern alle Journalisten, die zu ähnlichen Themen arbeiten, sollen eingeschüchtert werden, sich nicht mehr sicher fühlen – und damit von ihrer Berichterstattung abgebracht werden.
Dass Journalisten auf Ablehnung und Gewalt stoßen, überrascht nicht: Wer selbst hasserfüllte Parolen als legitimen Protest verkauft, Debatten ideologisch und autoritär führt, wird in der Konsequenz auch selbst nicht vor Gewalt zurückschrecken – und diese Taten am Ende rechtfertigen. Für die Demokratie ist die freie Presse unverzichtbar. Wird sie angegriffen, steht nicht weniger als ein Baustein des Fundaments unserer freien Gesellschaft auf dem Spiel.
Gerade jetzt braucht es Solidarität mit denjenigen, die sich der Aufgabe stellen, komplexe Konflikte einzuordnen – und ein entschiedenes Entgegenhalten bei Einschüchterungen, Hass und der Relativierung von Antisemitismus.
Die Autorin ist freie Journalistin und schreibt die »taz«-Kolumne »Grauzone«.