Amed Sherwan

Irak, Israel und die Angst vor Verfolgung

Amed Sherwan Foto: Florian Chefai

Amed Sherwan

Irak, Israel und die Angst vor Verfolgung

Das Schweigen der progressiven Kräfte im Irak zu dem neuen Gesetz über das Verbot der Normalisierung des Umgangs mit »dem zionistischen Gebilde« macht Angst

von Amed Sherwan  09.06.2022 07:59 Uhr

Ich bin in Irakisch-Kurdistan in einem pro-palästinensischen Umfeld mit allgegenwärtigem Antisemitismus aufgewachsen. Dennoch sind selbst mir als Kind nicht die Stimmen für eine jüdisch-kurdische Verbundenheit entgangen. Wie verwoben die irakische und israelische Geschichte ist, habe ich aber erst nach meiner Flucht entdeckt. Und aus meinem deutschen Exil heraus erlebe ich in den aufgeklärten Kreisen meiner alten Heimat große Sympathien für Israel.

Doch seit einigen Tagen finde ich weder kurdische noch arabische Beiträge aus dem Irak, die sich positiv auf Israel beziehen. Das ist sicherlich kein Zufall, denn in wenigen Wochen wird ein neues Gesetz im Irak umgesetzt: das Verbot der Normalisierung des Umgangs mit »dem zionistischen Gebilde«.

kontakte Ganz praktisch kann damit jede wirtschaftliche oder private Beziehung zu Israel, israelischen Staatsbürgern oder pro-israelischen Akteuren mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft werden. Auch Kontakte im Zusammenhang mit Wissenschaft, Journalismus, Kunst und Sport oder die Positionierung für Israel oder gegen Antisemitismus sind umfasst.

Das Schweigen der progressiven Kräfte im Irak hierzu macht mir Angst. Bisher habe ich Iraner dafür bemitleidet, selbst in Deutschland in Angst vor Verfolgung zu leben, während ich hier Meinungsfreiheit genieße. Doch nun mache auch ich mir ernsthafte Sorgen um meine eigene Sicherheit, da das Gesetz alle Personen mit irakischer Staatsbürgerschaft betrifft.

Ganz persönlich würde ich gerne Konsequenzen daraus ziehen – und meine irakische Staatsbürgerschaft abgeben.

Noch mehr sorgt es mich aber, dass mein eigenes Engagement gegen Antisemitismus andere in Gefahr bringen könnte. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass das Verbot dafür genutzt werden wird, unliebsame Personen zu beseitigen oder ein Exempel an zufälligen Leuten zu statuieren.

Ich überblicke nicht, welche Konsequenzen das Gesetz für den Irak oder die kurdische Frage haben wird. Ganz persönlich würde ich aber gerne Konsequenzen daraus ziehen – und meine irakische Staatsbürgerschaft abgeben.

Der Autor ist Aktivist und Verfasser des Buches »Allah sei Dank bin ich Atheist« (2020).

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Meinung

Jetzt kann das Herz heilen

In ganz Israel erhebt sich an diesem historischen Tag die Erleichterung wie ein kollektiver tiefer Atemzug – teils Seufzer, teils Schluchzen, teils freudiger Gesang

von Sabine Brandes  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025