Rabbiner Raphael Evers

Haltet Corona auf!

Rabbiner Raphael Evers Foto: Alexandra Roth

Rabbiner Raphael Evers

Haltet Corona auf!

Das Purimfest ist ein wichtiger Anlass, um sich auf Wege aus der Krise zu besinnen

von Rabbiner Raphael Evers  09.03.2020 14:34 Uhr

Am vergangenen Schabbat haben wir in die Paraschat Zachor gelesen, in der wir uns daran erinnern, wie ein feindliches Volk, Amalek, uns ohne jeglichen Grund, aus purem Hass, angegriffen hat. Wir haben diesen Angriff auf wundersame Weise überwunden.

Wenn es in unserem Leben Schwierigkeiten gibt, tun wir alles, um das Böse umzukehren. Wir müssen die Tendenz zu »Sinat chinam« – unbegründetem Hass – ins Gegenteil umkehren: »Ahavat chinam« – grundlose Liebe.

katastrophe Wenn wir mit Katastrophen konfrontiert werden – und das winzige Coronavirus ist eine solche Katastrophe –, sollten wir uns nicht dem Schicksal ergeben und rufen: »So ist es nun einmal. Das ist die Natur. Wir müssen passiv darauf warten, dass es vorübergeht.«

Laut dem großen Gelehrten Maimonides (13. Jahrhundert) sollten wir nicht glauben, dass eine Katastrophe reiner Zufall ist. Maimonides bezeichnet dies sogar als »Grausamkeit«, weil wir dann in eine Depression versinken und denken, dass wir nichts dagegen unternehmen können.

Im Gegenteil, wir müssen aufstehen und uns dem höchsten Wesen zuwenden. Tschuwa (Buße), Tefilla (Gebet) und Zedaka (Nächstenliebe) können selbst die schlimmsten Katastrophen zum Besseren wenden.

Mordechai Die Tora gebietet uns, auf unsere körperliche Gesundheit zu achten. Wir sind in diesen Tagen in der Tat damit beschäftigt. Dennoch dürfen wir den spirituellen Teil unseres Seins nicht vergessen – gerade am Purimfest. Was hat Mordechai getan, als er von Hamans Plänen zur Vernichtung des jüdischen Volkes hörte?

Das Erste, was er unternahm, war die Stärkung der jüdischen Identität: »Er kleidete sich in Sack und Asche und ging auf die Straße«, um seine jüdischen Mitbürger zur Buße aufzurufen. Und Esther rief alle Juden auf, sich zu einem dreitägigen Fasten zu versammeln.

Quarantäne stört die Gesellschaft und trennt die Menschen voneinander. Ist dies vielleicht ein Zeichen von oben, dass wir mehr füreinander geben müssen?

Mordechai und Esther erkannten, dass Hamans Dekret in erster Linie eine Folge der Verzweiflung des jüdischen Volkes war, das am Ende des babylonischen Exils und kurz vor der Rückkehr nach Israel eine schwere religiöse Depression erlebte. Das Miteinander war verschwunden, und sie kümmerten sich wenig umeinander.

Mordechai und Esther legten fest, dass sich die Juden einander Mischloach Manot (Essen als Zeichen der Freundschaft) und Geschenke schicken sollten, weil es viel Entfremdung und Gleichgültigkeit gab. Damit festigten sie die religiösen Werte, die das Wesen des jüdischen Volkes ausmachen.

tikkun olam Auch wir müssen – jetzt, wo wir uns mitten in der Corona-Krise befinden – über Tikkun Olam, eine Verbesserung unserer selbst und unserer Umwelt, nachdenken.

Niemand weiß, warum diese Katastrophe uns trifft, aber wir können sie als ein Zeichen von oben empfinden, dass wir die Welt verbessern können, vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene.

Quarantäne stört die Gesellschaft und trennt die Menschen voneinander. Ist dies vielleicht ein Zeichen von oben, dass wir mehr zusammen sein und mehr füreinander geben müssen?

Amalek Amalek war das Volk, das bei uns Zweifel gesät hat. Zweifel an der Existenz G ’ttes. Wenn wir für unseren Glauben und unsere Identität eintreten, indem wir humane Projekte unterstützen und Hass verurteilen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Wenn wir das ernst nehmen, wird Purim, das am Montagabend beginnt, ein echtes Fest sein, bei dem wir einander mit Zuneigung begegnen. Wenn wir uns wirklich bemühen, die Welt zu verbessern (Tikkun Olam), wird dies auch tatsächlich geschehen.

Wir fahren fort, für alle, die von der Corona-Katastrophe betroffen sind, zu beten. Möge G ’tt alle Trauernden trösten, alle Kranken heilen und alle Störungen beheben.

Meinung

Die Columbia und der Antisemitismus

Ein neuer Bericht offenbart: An der US-Eliteuniversität sind die Nahoststudien ideologisch einseitig und jüdische Studenten nicht sicher. Es ist ein Befund, der ratlos macht

von Sarah Thalia Pines  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025