Katharina Schmidt-Hirschfelder

Golda Meir in Dahlem

Katharina Schmidt-Hirschfelder Foto: Gregor Zielke

Katharina Schmidt-Hirschfelder

Golda Meir in Dahlem

Die Umbenennung der Pacelliallee in Berlin-Dahlem wäre ein wichtiger erinnerungspolitischer Schritt

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  14.09.2020 15:25 Uhr

Hugo Heymann und Richard Semmel wurden während der NS-Zeit gezwungen, ihren Besitz zu verkaufen – weit unter Wert –, darunter auch ihre Stadtvillen in Berlin-Dahlem. Die Schicksale dieser und anderer jüdischer Unternehmer machte vor allem der Historiker Julien Reitzenstein publik, der zugleich zahlreiche Gedenk-Initiativen anstößt.

Prominentestes Beispiel ist die Anregung zu einer Stele am Dienstsitz des Bundespräsidenten – jener Villa, die früher dem Perlenfabrikanten Hugo Heymann gehörte. Bei seinen Recherchen zu verschiedenen Liegenschaften in der Pacelliallee kam dem Historiker, der sich als Provenienz- und Restitutionsforscher auch mit verfolgungsbedingt entzogenen Liegenschaften befasst, deren jüdische Voreigentümer Opfer der antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes wurden, nun die Idee für eine weitere Initiative, die er beim zuständigen Bezirksamt beantragt hat: die Umbenennung der Pacelliallee in Golda-Meir-Allee.

VATIKAN Eine solche Umbenennung ist überfällig. Denn nicht nur wurde in Dahlem bisher nur eine einzige Straße nach einer Frau benannt – einer Monarchin –, auch verlor Richard Semmel seine Kunstsammlung und die sie beherbergende Villa in der heutigen Pacelliallee an die Profiteure des NS-Regimes – eines Regimes, dessen erster außenpolitischer Erfolg das Reichskonkordat mit dem Vatikan war.

Schon als Nuntius hatte Eugenio Pacelli – der spätere Papst Pius XII. – sich durch bemerkenswerten Antisemitismus hervorgetan.

Dessen Verhandlungsführer – ebenjener Eugenio Pacelli – bot Hitlers Emissären gleich in der ersten Verhandlungsrunde an, dem deutschen Klerus praktisch jede politische Betätigung zu untersagen.

Schon zuvor als Nuntius hatte Pacelli sich durch bemerkenswerten Antisemitismus hervorgetan. Ebenso befremdete er durch frauenverachtende Äußerungen. Als absolutistisch regierender Papst Pius XII. verantwortete er, dass seine Vertrauten Kriegsverbrechern die Flucht ermöglichten.

IMPULSGEBERIN Niemand würde heute eine Straße nach jemandem benennen, der jahrzehntelang durch Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit »und Nähe zu faschistischen Regimes auffiel«, argumentiert Reitzenstein. Warum also nicht Golda Meir als Namensgeberin? Schließlich war sie die dritte frei gewählte Regierungschefin der Welt; ihr Streben nach Versöhnung ein wichtiger Impuls für die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland.

Die Umbenennung jener Allee, in der einst Richard Semmel wohnte, wäre somit, 55 Jahre nach der Aufnahme deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen, ein würdiger erinnerungspolitischer Schritt.

schmidt-hirschfelder@juedische-allgemeine.de

Meinung

Der erfundene »Völkermord«

Wer für einen Genozid verantwortlich ist, versorgt dessen angebliche Opfer nicht, warnt sie nicht vor Angriffen und richtet weder Fluchtrouten noch humanitäre Zonen ein

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Meinung

Vereinte Nationen: Alter Wein in neuen Schläuchen

Kommende Woche soll in New York eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet werden. Sie ist hochproblematisch. Deutschland sollte dagegen stimmen

von Jacques Abramowicz  18.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  18.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht allein!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Gent befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Wenn Wutausbrüche Diplomatie ersetzen

So verständlich der Frust ist, tut sich Israels Regierung mit ihrer aggressiven Kritik an westlichen Regierungen und ihren Einreiseverboten für europäische Politiker keinen Gefallen

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025