Ariel Elbert

Es trifft die Falschen

Ariel Elbert Foto: Keshet Deutschland e.V.

Ariel Elbert

Es trifft die Falschen

»The Aguda« aus dem LGBTIQ+-Dachverband ILGA auszuschließen, war unverhältnismäßig und antisemitisch

von Ariel Elbert  04.11.2024 16:19 Uhr

Jüdische LGBTIQ*+-Personen erleben oft Herausforderungen in queeren Räumen, da antisemitische Stereotype auch hier Platz finden. Aus diesem Grund haben wir, der Verein Keshet Deutschland e.V., uns zum Ziel gesetzt, nicht nur in jüdischen Räumen über Queerness aufzuklären, sondern auch in nicht-jüdischen queer- oder LGBTIQ+-Räumen Bildungsarbeit gegen Antisemitismus zu leisten.

Seit unserer Gründung im November 2019 haben wir zahlreiche Gespräche mit queeren Personen und Organisationen geführt, und wichtige Verbindungen aufgebaut. Doch nach dem 7. Oktober schien unsere Arbeit vergeblich zu sein: Viele dieser Verbindungen und Gespräche brachen ab oder es schien, als hätten sie nie stattgefunden.

In diesen schwierigen Zeiten verdient die israelische Organisation »The Aguda« Respekt, weil sie der ILGA (steht für International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) vorgeschlagen hat, den nächsten Kongress des Dachverbandes für die Rechte von LGBTIQ*-Personen in Tel Aviv abzuhalten. Angesichts der katastrophalen Entwicklungen seit dem 7. Oktober war das ein mutiger Schritt und ein starkes Signal gegen Antisemitismus.

Den Kongress in Tel Aviv abzuhalten, würde deutlich machen, dass die Trauer um die Geiseln und die Trauer um die Opfer in Gaza nebeneinander bestehen können. Es wäre ein Zeichen, dass wir gemeinsam demokratische Werte vertreten und für Sichtbarkeit, Inklusion und Diversität kämpfen können. Denn für jüdische Queers, die eine Minderheit innerhalb einer Minderheit sind, ist es wichtig, dass ihre Identitäten als Jüdinnen und Juden und als queer nicht in Konkurrenz zueinander stehen.

Lesen Sie auch

Doch die ILGA hat die Mitgliedschaft von »The Aguda« wegen dieses Vorschlags suspendiert. Nicht nur das: Sie hat sich sogar dafür entschuldigt, ihn auch nur in Betracht zu ziehen. Das sei den Mitgliedern in Südafrika mit ihren Apartheids- und Kolonialismuserfahrungen nicht zumutbar und »stünde im Widerspruch mit der eindeutigen Solidarität mit dem palästinensischen Volk«, behauptet die ILGA.

Diese Reaktion ist schmerzhaft, unverhältnismäßig und antisemitisch – und sie spiegelt leider wider, was wir derzeit in queeren Räumen erleben. Sie trifft auch die Falschen: »The Aguda« leistet bedeutende Arbeit, insbesondere in der psychosozialen Betreuung von arabischen Queers und im Bestreben, arabische LGBTIQ*+-Personen nach Israel zu holen, wo die Gesetze für LGBTIQ*+-Personen im Mittleren Osten am fortschrittlichsten sind.

Es ist unverständlich, warum gerade diese Organisation so stark kritisiert wird. Dennoch hoffen wir, dass durch diese Auseinandersetzung »The Aguda« und ihre wichtige Arbeit mehr mediale Aufmerksamkeit erhält.

Ariel Elbert ist Mitglied im Vorstand von Keshet.

Kommentar

Den Nachkommen der Schoa-Opfer kaltschnäuzig und nassforsch die Leviten gelesen

Ausgerechnet zum 60. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen kritisiert die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann die Kriegsführung in Gaza, und das auch noch, ohne die Hamas zu erwähnen

von Esther Schapira  19.05.2025

Kommentar

Nächstes Jahr bitte ohne Doppelmoral!

Der Musik-Wettbewerb sollte nicht mit einseitiger Solidarität zur inhaltlosen Bühne verkommen

von Nicole Dreyfus  18.05.2025

Meinung

Ohne Wissen und Gewissen 

Der taz-Redakteur Daniel Bax, studierter Islamwissenschaftler, sollte seinen Beruf wechseln. Die taz sollte ihm dabei helfen

von Maria Ossowski  18.05.2025

ESC

Kraftvolle Stimme der Resilienz

Yuval Raphael qualifiziert sich am Donnerstagabend in Basel für das Finale und bietet allen Buhrufern entschlossen die Stirn. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  16.05.2025

Meinung

Neukölln stigmatisiert sich selbst

Heleen Gerritsen, künftige Leiterin der Deutschen Kinemathek, unterschrieb 2023 einen Boykottaufruf gegen Lars Henrik Gass. Jetzt liefert sie eine schräge Begründung nach

von Stefan Laurin  16.05.2025

Johannes Boie

Journalistisch falsch, menschlich widerlich

»News WG«, ein Format des Bayerischen Rundfunks, hat eine Umfrage darüber gestartet, ob man Yuval Raphael, eine Überlebende der Massaker des 7. Oktober, vom ESC ausschließen soll

von Johannes Boie  15.05.2025

Meinung

Jude gesucht für Strafantrag

Dass Staatsanwaltschaften selbst bei judenfeindlichen Hasskommentaren untätig bleiben, ist symptomatisch für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

von Alon David  14.05.2025

Meinung

Bruch von Weimer mit Roths Politik: Ein notwendiger Neuanfang

Selten haben so viele kultivierte Menschen einen Kulturstaatsminister so heftig kritisiert wie Wolfram Weimer. Dabei hat er innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei wichtige Zeichen gesetzt

von Maria Ossowski  13.05.2025

Meinung

Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass

Wer sich als vorgeblich sozialistische Partei mit einer Bewegung solidarisiert, die Frauen steinigt, Homosexuelle verbrennt und den Judenmord als oberstes Ziel ihrer Bemühungen proklamiert, hat keine Ehre. Ein Kommentar von Andrej Hermlin

von Andrej Hermlin  13.05.2025 Aktualisiert