Essay

Es geschah an einem 23. Siwan

Foto: imago stock&people

Am 23. Siwan, so berichtet das Buch Esther, wurde im antiken Persien ein königliches Dekret erlassen. König Ahasveros hob damit ein vorheriges, zur Vernichtung der Juden bestimmtes Gesetz auf. Was als »Tag des Unheils« geplant war, verwandelte sich in einen Tag der Rettung und der Hoffnung für das jüdische Volk.

Fast zweieinhalb Jahrtausende später verdichten sich im heutigen Iran, dem Nachfolgestaat des antiken Persiens, die Anzeichen für einen historischen Umbruch – ausgerechnet um dieses für Juden bedeutsame Datum herum. Der 23. Siwan ist nach unserem weltlichen Kalender in diesem Jahr der 19. Juni.

Ist das alles nur Zufall. Oder steckt mehr dahinter?

Im Buch Esther (Kapitel 8, Vers 9) steht geschrieben, dass am 23. Siwan ein neues Edikt im Namen des Königs Achaschwerosch verkündet wurde. Das erste Dekret, das zur Vernichtung der Juden am 13. Adar aufrief, wurde damit faktisch neutralisiert. Die Juden erhielten das Recht, sich zu verteidigen. Sie taten es mit Erfolg. Der Siwan wurde so zum Symbol für Hoffnung, Gerechtigkeit und göttliche Fügung.

Parallelen zur Gegenwart

Im Siwan des Jahres 5785 jüdischer Zeitrechnung überschlagen sich die Ereignisse im Iran. Es gibt Berichte über geheime Verhandlungen zwischen dem Militär und Reza Pahlavi, dem Sohn des letzten Schahs. Viele Menschen im Iran scheinen bereit zu sein, die Seiten zu wechseln. Das seit 1979 herrschende islamistische Regime wackelt. Ob es stürzt, ist noch nicht ausgemacht.

In Ghartschak, südlich von Teheran, kam es bereits zu Protesten, die von Sicherheitskräften nur mühsam unter Kontrolle gebracht werden konnten. Die sozialen Medien laufen heiß, internationale Beobachter verfolgen die Situation mit Spannung.

Demonstration in Genf gegen das iranische Regime (2023)
Ein »biblischer Zufall«?

Die Frage drängt sich auf: Ist es ein reiner Zufall, dass sich solch dramatische Entwicklungen genau um das historische Siwan-Datum abspielen? In der jüdischen Tradition gilt: »Es gibt keine Zufälle im Leben eines Juden.« Historische Ereignisse werden oft als Teil eines größeren, göttlichen Plans gesehen. Sollte das islamistische Regime tatsächlich am 23. Siwan zu Fall kommen, wäre das für viele ein Zeichen, dass sich Geschichte auf geheimnisvolle Weise wiederholt – und dass Hoffnung und Gerechtigkeit am Ende siegen.

Auch auf internationaler Bühne deuten sich Veränderungen an. So verließ US-Präsident Donald Trump das G7-Treffen in Kanada unerwartet früh, um sich der Lage im Nahen und Mittleren Osten zu widmen. Unklar ist, ob Trumps Amerika an der Seite Israels militärisch eingreift. Viele erhoffen sich davon den entscheidenden Schlag gegen das Regime.

Hoffnung und Skepsis

Natürlich ist der Ausgang der aktuellen Ereignisse ungewiss. Revolutionen lassen sich nicht vorhersagen und das Regime in Teheran hat in der Vergangenheit seine Überlebensfähigkeit bewiesen. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. Sollte die Islamische Republik tatsächlich fallen, wäre das nicht nur für die Menschen im Iran, sondern für die gesamte Region ein geschichtlicher Wendepunkt.

Ob Zufall oder Fügung – der 23. Siwan bleibt ein Tag mit Symbolkraft. Der Sturz des Regimes an einem solchen Datum gälte fortan als biblisches Zeichen. Das zeigt: Die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit lebt weiter. Vielleicht zeigt sich gerade in solchen Momenten, dass Geschichte manchmal mehr ist als nur die Summe zufälliger Ereignisse.

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

Nahost

Warum Deutschland seine Botschaft nach Jerusalem verlegen sollte

Ein Kommentar von JA-Redakteur Imanuel Marcus

von Imanuel Marcus  21.12.2025

Essay

Chanukka und wenig Hoffnung

Das hoffnungsvolle Leuchten der Menorah steht vor dem düsteren Hintergrund der Judenverfolgung - auch heute wieder

von Leeor Engländer  21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Meinung

Weitermachen oder die jüdische Resilienz

Verfolgung, Exil und Gewalt konnten es nicht brechen: Die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes prägt seine Geschichte bis heute

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025

Meinung

Warum ich Sydney nicht verlassen werde

Der Terroranschlag von Bondi Beach wurde auch möglich, weil die Mehrheitsgesellschaft den Antisemitismus im Land ignoriert hat. Unsere Autorin sagt trotzdem: Ihre Heimat als Jüdin ist und bleibt Australien

von Amie Liebowitz  17.12.2025