Naomi Lubrich

Ein Mahnmal für die Schweiz

Naomi Lubrich Foto: Susanne Goldschmid

Der Schweizer Bundesrat hat unlängst entschieden, einen Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus zu errichten. In Bern soll ein Mahnmal mit Vermittlungszentrum und in St. Gallen ein Bildungsprogramm entstehen. Die Unterstützung dafür kam von links und rechts, sowohl von der Sozialdemokratischen Partei (SP) als auch der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Damit tut sich die Schweiz einen Gefallen. Denn eine Aufarbeitung kam erst spät und durch außenpolitischen Druck. Lange beruhigte man sich mit der Erzählung, das offiziell neutrale Land habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

weckruf In den 90er-Jahren kam für die Schweiz dann der Weckruf. Nachfahren ermordeter Jüdinnen und Juden suchten nach den Vermögen ihrer Angehörigen auf Schweizer Bankkonten. Nach anfänglicher Zurückweisung, international schlechter Presse und einem Boykott Schweizer Produkte in den USA sah die Schweiz genauer hin. So begann das Verfahren um die Vermögenswerte der jüdischen Opfer bei Schweizer Banken und deren wissenschaftliche Begleitung durch eine unabhängige Expertenkommission. Über ein Mahnmal sprach man, es wurde aber noch nicht für nötig befunden.

Seit nunmehr fünf Jahren befindet sich die Schweiz in einer Phase intensiverer Selbstprüfung.

Seit nunmehr fünf Jahren befindet sich die Schweiz in einer Phase intensiverer Selbstprüfung. Seit 2020 fragen Schweizer Museen nach der eigenen Mittäterschaft beziehungsweise unterlassener Hilfeleistung: das Historische Museum Basel, weshalb jüdische Flüchtlinge keine öffentliche Unterstützung erhielten, und das Schweizerische Nationalmuseum, ob Anne Franks Familie hätte gerettet werden können. Die Kunstmuseen in Basel und Bern bekannten sich dazu, vom Kunsthandel mit Nazi-Deutschland profitiert zu haben: etwa durch Ankäufe »entarteter« Kunst oder durch eine Schenkung von Cornelius Gurlitt.

Als sich das Kunsthaus Zürich dagegen weigerte, seinen verstorbenen Leihgeber Emil Bührle, der das NS-Regime mit Waffen beliefert hatte, kritisch einzuordnen, diskutierte die Schweiz lebhaft. Wenn es solche Debatten befördert, wird das geplante Mahnmal nicht nur eines für die Schweizer Opfer, sondern auch für die Opfer der Schweiz sein. Und es wird nicht nur eines für die Erinnerung an die Schoa, sondern auch für die Schweiz selbst.

Die Autorin leitet das Jüdische Museum der Schweiz in Basel.

Meinung

Kann die Berlinale diesmal Israel-Bashing verhindern?

Das Film-Festival hat eigens FAQ zum Nahostkonflikt veröffentlicht und distanziert sich darin gleich von der Antisemitismus-Resolution des Bundestages

von Maria Ossowski  14.02.2025

Einspruch!

Holt sie aus der Hölle raus

Sabine Brandes fordert, alles dafür zu tun, um auch die letzten verbliebenen Geiseln zu retten

von Sabine Brandes  13.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025

Meinung

Da kann man sich gleich Björn Höcke einladen

UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hätte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sprechen sollen. Dabei hat sie sich für den akademischen Diskurs disqualifiziert

von Ralf Balke  10.02.2025

Meinung

Antisemitismus an Kunsthochschulen: Eine Kultur des Wegschauens

Die Serie antisemitischer Vorfälle an Ausbildungsstätten für angehende Künstler reißt nicht ab. Warum sind die Hochschulen offenkundig außerstande, das Problem in den Griff zu kriegen?

von Klemens Elias Braun  10.02.2025

Kommentar

Antisemitismus: Was ist da los in Berlin?

Die judenfeindlichen Straftaten sind rückläufig. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Ein Bundesland sticht negativ hervor

von Michael Thaidigsmann  09.02.2025

Bildung

Wissenschaftsfreiheit und Antisemitismus

Die Bundestagsresolution gegen Judenhass an Hochschulen und die Verantwortung der Universitäten. Ein Gastkommentar von Frederek Musall

von Frederek Musall  07.02.2025

Meinung

Vielleicht müssen erst alte Gewissheiten zerbrechen?

Die Welt tobt über Trumps Vorschlag für die Zukunft des Gazastreifens. Doch die Reaktion zeigt, wie viele Menschen Illusionen anhängen, wenn es um den Nahostkonflikt geht

von Daniel Neumann  07.02.2025

Meinung

München als Mahnung

Die Stadt brauchte 55 Jahre, um sich dazu durchzuringen, den Opfern des Brandanschlags auf das jüdische Gemeindehaus in der Reichenbachstraße ein Denkmal zu setzen. Die Täter sind bis heute nicht gefunden

von Georg M. Hafner  06.02.2025