Meinung

Die Linke auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit

Das Logo der Linkspartei auf dem Parteitag in Halle Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, dachten sich die Genossinnen und Genossen in der Linkspartei, als sich Sahra Wagenknecht und ihre Entourage nach schier endlosen Querelen vergangenen Oktober endlich selbstständig machten. Nun, so war die Vorstellung, könne man den parteiinternen Streit hinter sich lassen und wirklich progressive Politik machen.

Ein Jahr später ist der Zauber verflogen. Nicht nur fuhr die Partei miserable Ergebnisse bei Europa- und Landtagswahlen ein, auch die harmonische Eintracht will sich in der Linken einfach nicht einstellen. Über die Haltung zum Krieg in Nahost und den Antisemitismus in den eigenen Reihen droht sich die Partei erneut zu zerlegen – und endgültig in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen.

Vor drei Wochen kam es auf dem Landesparteitag der Berliner Linken zum Eklat: Nachdem eine Mehrheit der Delegierten die Verabschiedung eines antisemitismuskritischen Antrags verhindert hatte, verließen zwei Dutzend Linke entrüstet den Saal. Provoziert hatten diesen Bruch extremistische Israelfeinde, von denen einige nicht nur in der Neuköllner Linken ein politisches Zuhause haben, sondern auch in der Hamas-freundlichen Gruppe »Palästina Spricht«.

Wer den Kampf gegen Antisemitismus in der Linken ernst nimmt, denkt derzeit sicherlich über seinen Parteiaustritt nach.

Zu ihnen gehört der Aktivist Ramsis Kilani, der am 7. Oktober 2023, während die Terroristen noch in Israel mordeten, auf X kundtat, dass er »fest und solidarisch an der Seite des palästinensischen Befreiungskampfes« stehe. Den gescheiterten Antisemitismusantrag auf dem Linken-Treffen feierte er ebenda als Sieg gegen den »rechten Parteiflügel«. Für die bekannten Berliner Politiker Udo Wolf und Sören Benn war eine rote Linie überschritten, und sie traten aus der Linken aus.

Nach dem Bundesparteitag am Wochenende in Halle folgte ihnen auch Henriette Quade. Ein »kompromissloser Kampf gegen jeden Antisemitismus in und mit dieser Partei« sei ihr nicht mehr möglich, lautete das ernüchternde Fazit der langjährigen Abgeordneten des sachsen-anhaltisch Landtags.

Quade war zuvor von »pro-palästinensischen« Aktivisten aus dem Linkenumfeld beleidigt und diffamiert worden. Sollten sich deren Ansichten in der Partei vollends durchsetzen – und dafür spricht einiges –, würde die Linke auf ihrem bereits eingeschlagenen Weg zu einer vernachlässigbaren Splitterpartei noch einmal ordentlich an Tempo zulegen.

Das neue Führungsduo Ines Schwerdtner und Jan van Aken müsste nun konsequent gegen die Israelhasser in der Linken vorgehen, wenn sie nicht die letzten Parteivorsitzenden gewesen sein wollen. Zuzutrauen ist es ihnen eher nicht, und die Verbliebenen, denen es mit dem Einsatz gegen Antisemitismus noch wirklich ernst ist, denken derzeit sicherlich über ihren eigenen Parteiaustritt nach. Mit ihnen würde auch die politische Vernunft die Linke verlassen. Was übrig bliebe, wäre den Erhalt nicht wert.

schultheis@juedische-allgemeine.de

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