Wer kennt es nicht? Kaum wird es kälter, ziehen wir unsere zu kleine Decke verzweifelt von einer Seite zur anderen und schaffen es nicht, komplett im Warmen zu liegen. Ähnlich geht es gerade der Bundesregierung. Trotz historischer Schuldenaufnahme fehlt Geld für den laufenden Haushalt. Und wie stets in solchen Lagen heißt die erhoffte Lösung »Sozialreform«. Die, die im Kalten liegen, sollen zum Wohle aller ein wenig mehr frieren. Steuerfinanzierte Leistungen wie Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag will die Bundesregierung effizienter, bürgerfreundlicher und digitaler gestalten – angeblich, ohne das soziale Schutzniveau zu gefährden.
Für die Rentnerinnen und Rentner, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, ist diese Behauptung bereits widerlegt, da die Bedarfssätze 2026 nicht steigen werden. Wegen der Inflation bedeutet das real eine Leistungskürzung, die Menschen mit niedrigen Renten besonders spüren werden. Überproportional in dieser Gruppe vertreten sind die jüdischen Kontingentflüchtlinge, die zu über 90 Prozent auf ergänzende Sozialleistungen zur Rente angewiesen sind.
Einmalige Zahlungen aus dem Härtefallfonds haben die strukturellen Probleme jüdischer Altersarmut nicht kompensiert.
Die beabsichtigte Verschärfung der Nachweispflichten, die Reduzierung der Wohnkostenübernahme und strengere Vermögensanrechnung werden vor allem diejenigen hart treffen, die kaum familiäre Unterstützungsnetze haben und unter Sprachbarrieren leiden. Dasselbe gilt für die erleichterte Sanktionspraxis, die künftig für alle Grundsicherungsempfänger vorgesehen ist.
Einmalige Zahlungen aus dem Härtefallfonds, dessen Mittel nur zur Hälfte ausgeschüttet wurden, haben die strukturellen Probleme jüdischer Altersarmut nicht kompensiert. Solange keine nachhaltigen Maßnahmen wie Rentenanrechnung aus dem Herkunftsland, eine Lösung im Rentenrecht oder wiederkehrende Kompensationszahlungen etabliert werden, trifft die Sozialstaatsreform jüdische Kontingentflüchtlinge überproportional stark und verstärkt deren Ausgrenzung.
Der Autor ist Leiter des Berliner Büros der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST).