Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Remko Leemhuis Foto: picture alliance/dpa

Wie viele islamistische Anschläge in Deutschland und Europa durch Hinweise des Mossad verhindert wurden, ist nicht bekannt. Weder israelische noch deutsche beziehungsweise europäische Behörden geben darüber Auskunft. Dass es keine belastbaren Zahlen oder Näherungswerte gibt, ist bedauerlich. Denn sie würden der deutschen Öffentlichkeit vor Augen führen, wie sehr unsere Sicherheit von der Zusammenarbeit mit Israel abhängt.

Man darf allerdings davon ausgehen, dass die Zahl erheblich ist – und dass die Kooperation mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst sowie den anderen Sicherheitsbehörden des jüdischen Staates Hunderten, wenn nicht Tausenden Menschen das Leben gerettet hat.

Um zu verstehen, welche Qualität die Erkenntnisse der israelischen Nachrichtendienste haben, lohnt ein Blick auf das Urteil von General George Keegan, dem früheren Chef des US-Luftwaffengeheimdienstes. Er sagte: »Wenn die Vereinigten Staaten die nachrichtendienstlichen Informationen, die Israel uns liefert, selbst beschaffen müssten, dann müssten wir fünf CIAs gründen.« Dieses Zitates sollte man sich gewahr sein, wenn man die letzten Äußerungen des deutschen Außenministers Johann Wadephul (CDU) gehört hat.

Auf eine Frage des »Bild«-Journalisten Paul Ronzheimer antwortete Wadephul – ausgerechnet am 7. Oktober und ausgerechnet in Israel –: »Ich würde nicht sagen, wir brauchen ihn, den Mossad. Wir haben ihnen in diesem konkreten Fall mal den Hinweis vorgebracht, das ist ja nichts Schlechtes.«

Um es hier deutlich zu sagen: Diese Aussage des Ministers entspricht schlicht nicht den Tatsachen. Keine entwickelte westliche Demokratie ist in Bezug auf die Verhinderung islamistischer Terroranschläge so sehr von Erkenntnissen ausländischer Dienste abhängig wie die Bundesrepublik, und dabei insbesondere vom Mossad.

Gerade deshalb wiegt diese ungeheuerliche Brüskierung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit schwer. Sie trifft nicht nur Institutionen, sondern ist vor allem eine schallende Ohrfeige für jene Menschen in Israel, die im Stillen, ohne Aussicht darauf, jemals öffentliche Anerkennung für ihre Arbeit zu erhalten, täglich dafür arbeiten, dass auf deutschen Straßen nicht noch weit mehr Menschen islamistischen Terroristen zum Opfer fallen. Wie viele es genau sind, darüber kann sich der Minister problemlos die relevanten Informationen beschaffen, wenn er die entsprechenden Stellen und Fachleute beim Bundesnachrichtendienst befragen würde.

Lesen Sie auch

Nachdem diese Bundesregierung nun schon das historische Tabu gebrochen hat, die Rüstungskooperation mit Israel zumindest zu limitieren, wäre sie sehr gut beraten, jetzt nicht auch noch die Axt an die nachrichtendienstliche Kooperation zu legen, die über Jahrzehnte – selbst bei schwersten politischen Krisen – hervorragend funktioniert hat, wie beide Seiten immer wieder bestätigen.

Und daran hängt das Leben vieler Menschen, nicht nur hierzulande, sondern im gesamten Europa. Auch mit Blick auf die Zukunft sollte man sich gut überlegen, wie sehr man die Sicherheits- und Verteidigungskooperation weiter beschädigen möchte; denn langfristig sind die Bundesrepublik und Europa auf das israelische Know-how und die israelische Verteidigungsindustrie dringend angewiesen. Man denke etwa an Arrow 3, das einen wesentlichen Beitrag zum Schutz Europas vor russischen Mittelstreckenraketen leistet.

Der Autor ist Direktor des American Jewish Committee in Berlin.

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025

Jerusalem

Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung

US-Präsident Trump hat eine Begnadigung des wegen Korruption angeklagten Regierungschefs Netanjahu gefordert. Nun schreibt Netanjahu selbst ein Gnadengesuch. Israels Opposition übt scharfe Kritik

 30.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025