Meinung

Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Susanne Stephan ist Co-Vorsitzende des Verbands Jüdischer Journalistinnen und Journalisten. Foto: Privat

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Bitte mehr Sorgfalt, liebe Kollegen!

Weltweit haben Medien die Geschichte verbreitet: In Gaza sei ein hilfesuchendes Kind von Israelis erschossen worden. Es stimmt nur nicht, wie sich nun herausstellt. Von professionellen Journalisten darf man eigentlich mehr erwarten

von Susanne Stephan  08.09.2025 14:57 Uhr

Über den Krieg in Nahost zu berichten, kann simpel sein. Man ziehe sich eine Weste an, auf der »Press« steht, und mache einen Aufsager auf einem Parkplatz in Tel Aviv. Man zitiere Opferzahlen, die von der Hamas verbreitet wurden und nicht verifiziert werden können. Dann ein Einspieler: der israelische Premier, der mit steinerner Miene empathielose Durchhalteparolen verbreitet. Schließlich das Fazit des Berichterstatters: Alles ist schlimm und wird immer schlimmer.

Noch einfacher: Man lässt Interviewpartner ungeprüft Horrornachrichten verbreiten, etwa die über den arabischen Jungen Abdul Rahim Muhammad Hamden, den Israelis angeblich bei einem Verteilzentrum der Hilfsorganisation GHF erschossen. Die Aussage müsste eigentlich geprüft werden. Das ist nicht möglich oder den Kollegen zu aufwendig. Also verbreitet man die Story auf gut Glück. Falls sich das Ganze später als Hoax herausstellt – geschenkt, wird im Nachrichtenrauschen untergehen.

Die Lage in Gaza ist schrecklich. Aber zwingt diese Situation einen Medienmenschen, schlampige Arbeit abzuliefern?

Die Geschichte von Abdul hat sich tatsächlich als fabriziert herausgestellt: Journalisten aus den USA haben den Jungen ausfindig gemacht, am Leben und wohlauf. Dass er von Soldaten getötet wurde, kann man jedoch nach wie vor bei der BBC oder dem »Spiegel« nachlesen.

Im Ernst, Kollegen, geht da nicht ein bisschen mehr? Richtig, die Lage in Gaza ist grauenhaft. Nichts wäre der Bevölkerung vor Ort und Israel mehr zu wünschen, als dass dieser unsägliche Krieg schnell zu Ende ginge und die Regierung Netanjahu abdankte. Aber zwingt diese Situation einen Medienmenschen, schlampige Arbeit abzuliefern? Und was spricht dagegen, die Verlautbarungen der Hamas als das zu behandeln, was sie sind, nämlich Propaganda?

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Keine Angst, dadurch würde kein TV-Beitrag, kein Artikel liebedienerisch gegenüber der israelischen Regierung. Es würde nur vermieden, grobschlächtige anti-israelische Narrative zu bedienen. Und das wollt ihr doch, liebe Kollegen? Oder?

Die Autorin ist Co-Vorsitzende des Verbands Jüdischer Journalistinnen und Journalisten und Redakteurin beim »Focus«.

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