Tobias Müller

Amsterdam: Gedenken zulassen

Tobias Müller Foto: privat

Tobias Müller

Amsterdam: Gedenken zulassen

Erst nach langen Auseinandersetzungen entsteht in den Niederlanden ein Schoa-Mahnmal. Im Streit wurden Defizite deutlich

von Tobias Müller  18.07.2019 07:34 Uhr

Ganze 13 Jahre hat es gedauert, bis das niederländische Auschwitzkomitee endlich damit beginnen kann, das Nationale Holocaust-Denkmal bauen zu lassen. Es soll die Namen von allen 102.000 Schoa-Opfern des Landes enthalten. Besonders aufreibend waren die letzten beiden Jahre: Anwohner, die Beschwerden gegen den Standort, gegen die behördlichen Prozeduren oder gegen das Fällen der Bäume in der Umgebung hatten, zogen vor Gericht. Für hochbetagte Überlebende und ihre Angehörigen war diese Verzögerung sehr schmerzhaft.

GROTESKE Dass der Richter in der vergangenen Woche die Einwände abwies und den Baubeginn bewilligte, wird nun weithin begrüßt – vom Auschwitzkomitee bis zur Bürgermeisterin und anderen lokalen und nationalen Politikern.

Dass die Kläger enttäuscht sind, ist aus ihrer Sicht verständlich. Auch wenn ihre Argumente nicht per se antisemitisch waren, so war bei der Gerichtsverhandlung das Groteske an dieser Konstellation nicht zu übersehen: hier Bedenken wegen Sicherheit, städtebaulichen Vorschriften und 24 Bäumen, dort ein Denkmal für 102.000 ermordete Juden, Sinti und Roma.

Der eigentliche Skandal ist, dass es
rund 70 Jahre dauert, bis ein solches Mahnmal überhaupt zur Diskussion steht.

Dieser Gegensatz verweist auf den eigentlichen Skandal: dass es nämlich rund 70 Jahre dauert, bis ein solches Monument überhaupt zur Diskussion steht; dass Amsterdam, dieses vermeintliche Jerusalem des Nordens, seine überlebenden jüdischen Bürger nach der Schoa mit Kälte, Ablehnung und ausstehenden Forderungen nach Erbpacht samt Strafforderungen empfing; dass sich die niederländische Bahn nach jahrelangem Druck erst 2018 bereit erklärt, den Nachfahren der Deportierten Entschädigungen zu zahlen; dass man bis heute den Eindruck hat, als wären solche Schritte lästige Verpflichtungen.

Und dass vielfach die Einsicht fehlt, dass es bei den Ermordeten um die eigenen Bürger geht, einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dieses Landes.

Der Autor ist freier Journalist und berichtet für die Jüdische Allgemeine aus den Niederlanden.

Kommentar

Unerwünscht, unsicher: Wie sich Israelis heute in Europa fühlen

Die Angriffe und Übergriffe gegen israelische Touristen mehren sich in Europa. Es steht schlecht um den Kontinent, wenn sich Juden nicht ohne Gefahr in der Öffentlichkeit zeigen können

von Alon David  24.07.2025

Meinung

Rothenburgs jüdische Geschichte ist in Gefahr

In dem bayerischen Ort wurde die mittelalterliche Synagoge freigelegt – und soll nun wieder zugeschüttet werden. Ein skandalöser Umgang mit dem historisch bedeutenden Ort

von Johannes Heil  24.07.2025

Meinung

Israel wird einseitig an den Pranger gestellt

Die SPD fordert, Deutschland solle sich dem Appell von mehr als 20 Staaten an den jüdischen Staat anschließen. Doch das Schreiben erwähnt nicht einmal die Hamas und ist auch kein adäquates Mittel der Diplomatie, meint Renée Röske

von Renée Röske  23.07.2025

Meinung

Die Europäer müssen gegenüber dem Iran Härte zeigen

Das Teheraner Regime wird in den Atomverhandlungen wie immer auf Zeit spielen. Die europäischen Staaten dürfen sich nicht austricksen lassen - und sollten die ausgesetzten Sanktionen wieder aktivieren

von Michael Spaney  22.07.2025

Meinung

Macklemores Kunstfreiheit: Den Preis zahlen die Juden

Wenig überraschend ließ der US-Rapper auch beim Deichbrand-Festival seinem Hass auf Israel freien Lauf. Die passende Rechtfertigung lieferte Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank

von Ralf Fischer  22.07.2025

Meinung

Aktivisten-Kitsch statt Kunst

Der jährliche Rundgang an der Universität der Künste geriet zur palästinabewegten Posse

von Klemens Elias Braun  22.07.2025

Meinung

Waffenstillstand in Gaza – die schlechtere Entscheidung

Mehr als 20 Staaten kritisieren Israel und fordern das Ende des Krieges. Eine Replik

von Daniel Neumann  22.07.2025

Essay

Der Aufschrei einer Mutter

Wir, die Familien, sind in ständiger Sorge. Denn wenn es auch diesmal keine umfassende Einigung gibt und die Hamas beschließt, die Entführten in ihren Händen zu behalten, wird der Krieg nicht enden. Wir müssen ein Abkommen erreichen, durch das alle Geiseln freigelassen werden

von Yael Adar  21.07.2025

Meinung

Kein Mensch interessiert sich für den AStA, aber vielleicht sollte man es

An der FU Berlin berieten Studenten darüber, wie man die Intifada globalisieren könnte. Darüber kann man lachen, doch den radikalen Israelfeinden steht der Marsch durch die Institutionen noch bevor

von Noam Petri  18.07.2025