Nicole Dreyfus

»1700 Jahre« Juden in Europa

Nicole Dreyfus

»1700 Jahre« Juden in Europa

Es stellt sich die Frage, ob sich das Festjahr genauso auf andere Länder übertragen lässt, aber einen Versuch ist es wert

von Nicole Dreyfus  30.06.2022 08:25 Uhr

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – so lautet eine berühmte Weisheit auf dem Rasen. Seit 18 Monaten befinden wir uns aber in Museen, auf Konzertbühnen oder an anderen Veranstaltungsorten, wo es um jüdische Kultur geht. Vergangene Woche wurde das Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« offiziell beendet. Bei der Finissage äußerte Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer die Idee, ein solches Gedenkprojekt auf Europa auszuweiten. Großartig oder übertrieben?

Seien wir ehrlich – das Festjahr war einzigartig, sollte es doch zeigen: Jüdisches Leben und jüdische Kultur bilden seit vielen Jahrhunderten trotz all der Brüche einen bereichernden und inspirierenden Bestandteil der deutschen Kultur. Es ist dem Festjahr mit seinen mehr als 2400 Veranstaltungen gelungen, dies einer breiten Öffentlichkeit darzustellen. Warum sollte also diese Erfolgsstory nicht auf andere Länder übertragen werden?

selbstwahrnehmung Wenn sich genau dieses Bild, wonach jüdische Geschichte und Kultur auch Teil Europas sind, vermitteln lässt, ist die Sache mehr als zielführend. Dann nämlich kann erreicht werden, dass trotz Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung jüdisches Leben in Europa über- und weiterlebt als Teil europäischer Kultur und Identität, vor allem aber auch europäischer Selbstwahrnehmung.

An der Geschichte Deutschlands ist beispielhaft, dass das Judentum und die jüdische Kultur sowie ihre Geschichte Teil Europas sind.

An der Geschichte Deutschlands ist beispielhaft, dass das Judentum und die jüdische Kultur sowie ihre Geschichte Teil Europas sind – trotz der fast kompletten Vernichtung des deutschen Judentums. Beispielhaft auch deshalb, weil nach 1945 wieder neues jüdisches Leben in Deutschland entstand.

Doch stellt sich die Frage, ob sich dieses Beispiel genauso auf andere Länder übertragen lässt, wo doch jedes Land seine eigene Geschichte mit ihren Brüchen schreibt. Aber einen Versuch ist es wert. Also werfen wir den Ball ins Spielfeld Europas!

Die Autorin ist Historikerin und Journalistin in Zürich.

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Israel

Warum ich meine gelbe Schleife nicht ablege

Noch immer konnten nicht alle Angehörigen von Geiseln Abschied von ihren Liebsten nehmen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

Meinung

Wenn plötzlich vom »Geiselaustausch« die Rede ist

Die Berichterstattung vieler Medien über den Gaza-Deal zeigt einmal mehr, was passiert, wenn journalistische Maßstäbe missachtet werden

von Jacques Abramowicz  17.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Kommentar

Europa ist im Nahen Osten bedeutungsloser denn je

Während die USA unter Präsident Donald Trump keinen Zweifel darüber haben aufkommen lassen, wo es steht, hat Europa komplett versagt

von Daniel Neumann  13.10.2025

Meinung

Jetzt kann das Herz heilen

In ganz Israel erhebt sich an diesem historischen Tag die Erleichterung wie ein kollektiver tiefer Atemzug – teils Seufzer, teils Schluchzen, teils freudiger Gesang

von Sabine Brandes  13.10.2025

Meinung

Neues Semester, alter Antisemitismus?

Seit zwei Jahren sind deutsche Hochschulen keine sicheren Orte mehr für jüdische Studierende. Es wird viel Mühe kosten, diese Entwicklung zurückzudrehen

von Ron Dekel  13.10.2025

Kommentar

Kein Wunder in Bern

Bei gewaltbereiten Demonstrationen in der Schweizer Bundeshauptstadt hat sich ein Teil der Palästina-Solidarität einmal mehr selbst entlarvt: Es ging nie darum, das Leid im Gazastreifen zu beenden oder einen angeblichen Genozid zu stoppen

von Nicole Dreyfus  12.10.2025