Innovation

Zeitenwende auf dem Teller

Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Diese Frage hat die Menschheit seit Anbeginn der Zeit begleitet. Nun wurde sie in der israelischen Botschaft in Berlin aber einmal anders beantwortet. Augenzwinkernd hieß es dort, dass weder das Ei noch das »chicken« zuerst da gewesen sei, sondern die »chickpea«, die Kichererbse also.

Dass es an dem Abend um Essen ging, verriet schon der Titel der Veranstaltung: »The Future of Food«. Eingeladen hatte Israels Botschafter Ron Prosor, der seinen Gästen die wichtigsten israelischen Start-ups für pflanzenbasierte Proteine inklusive Food-Tasting vorstellen wollte. Veganer Feta, vegane Fischbällchen, veganes Steak aus dem 3D-Drucker: Die Israelis bewiesen sich einmal mehr in Sachen Innovation. Und schmackhaft war es auch.

Neuorientierung »Mit Blick auf den Tierschutz, die wachsende Weltbevölkerung, den Klimaschutz und die Gesundheit haben wir gute Gründe, uns neu zu orientieren«, attestierte Prosor in seinem Grußwort zu Beginn des Abends. Für eine Zeitenwende auf unseren Tellern plädieren aber auch die Vereinten Nationen. Egal ob Eier, Milch, Fisch oder Fleisch: Die derzeitigen Lebensmittelsysteme verursachen laut der UN ein Drittel aller Treibhausgasemissionen.

»Für eine köstliche Mahlzeit braucht es
weder Huhn noch Ei.«

Israels Botschafter Ron Prosor

Außerdem: Die Produktion von Milch- und Fleischprodukten beansprucht mehr als 80 Prozent der weltweiten Anbauflächen, liefert dabei aber nur knapp 20 Prozent der verzehrten Kalorien. Ein weiteres Problem sei, dass die Wassernutzung in der Landwirtschaft alles andere als nachhaltig ist. Im Hinblick auf die sich weltweit zuspitzende Wasserknappheit ist das Rindersteak, das in der Produktion mehrere Tausend Liter Wasser verbraucht, wohl nicht mehr lange zu verteidigen.

verzicht Der Verzicht auf tierische Produkte hat aber auch gesundheitliche Vorteile, bekräftigt die Weltgesundheitsorganisation. Sie empfiehlt ohnehin eine überwiegend pflanzliche Ernährung, die wenig Salz, gesättigte Fette und Zuckerzusätze enthält. Die Experten scheinen sich also einig: Veganes Essen liefert die zentralen Antworten für eine Reihe globaler Herausforderungen.

Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hält eine pflanzlich geprägte Ernährung in vielen Teilen der Welt für unerlässlich. Die genannten Herausforderungen seien aber nur zu meistern, »wenn wir an einem Strang ziehen«, so Eva Bell, die den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir (Grüne), krankheitsbedingt in der israelischen Botschaft vertrat.

Was Bell hoffnungsvoll stimmt: »Unter den unter 30-Jährigen geben etwa 35 Prozent an, dass sie sich als Vegetarier, Veganer oder Flexitarier bezeichnen.« Damit sich dieser Trend in Deutschland fortsetzt, erklärte das Ministerium Israel als eines der Schwerpunktländer, was die Zusammenarbeit in puncto Agrarforschung betrifft. Dieser Austausch soll zukünftig intensiviert werden, so Bell.

Herausforderungen Dass Israel als Start-up-Nation und Innovationsstandort daran arbeitet, die Herausforderungen von morgen schon heute zu lösen, darauf verwies auch Alla Voldman vom Good Food Institute Israel. Die wissenschaftsbasierte und gemeinnützige Organisation verfolgt seit 2019 das Ziel, die Forschung im Bereich alternativer Proteine in Israel voranzutreiben.

In ihrem Vortrag erteilte Voldman der industriellen Landwirtschaft eine deutliche Absage: »Man muss neun Kalorien an ein Huhn verfüttern, um eine Kalorie in Form von Fleisch zurückzubekommen. Und Hühnerfleisch ist noch der effizienteste Weg«, so Voldman. Zudem erinnerte sie daran, dass die überwiegende Mehrheit der weltweit angebauten Pflanzen an Tiere verfüttert wird, während Hunderte von Millionen Menschen wegen eines Mangels an hochwertigen Proteinen unterernährt sind.

Auch das Good Food Institute Israel glaubt daran, dass eine wesentliche Lösung dieser Probleme in alternativen Proteinen liegt. »Wir können Produkte herstellen, die genauso schmecken, riechen und aussehen wie die herkömmlichen tierischen Produkte. Ohne all diese Auswirkungen«, betont Voldman.

potenzial Welches Potenzial das birgt, hat sich offenbar herumgesprochen. Inzwischen werden mehr als 320 Millionen US-Dollar in israelische Start-ups investiert, die an der Entwicklung und Forschung alternativer Proteine arbeiten. Prozentual gesehen, gilt der jüdische Staat damit als führend bei der Finanzierung von Protein-Alternativen.

Jetzt finden die israelischen Innovationen ihren Weg allmählich nach Deutschland. Und hier warten bereits hochkarätige Interessenten. Das zeigte sich einmal mehr bei dem Food-Event in Berlin. Dort probierten sich nämlich nicht nur Diplomaten und Journalisten durch die veganen Häppchen. Auch die Vertreter deutscher Supermarkt-Größen – ALDI Süd darunter – waren neugierig auf die Erfindungen der israelischen Unternehmen More Foods, Yofix Probiotics Ltd., Innovopro und Redefine Meat.

Veganes Steak aus dem 3D-Drucker ließ die Gäste staunen.

Letzteres ließ die Gäste insbesondere mit ihrem veganen Steak aus dem 3D-Drucker staunen. Redefine Meat erforschte dafür mehrere Jahre lang die Muskelstrukturen von echtem Fleisch. So gelang es dem Unternehmen, der Konsistenz und dem Aussehen herkömmlicher Fleischsorten beeindruckend nahe zu kommen. Die täuschend echten Rindersteak- und Currywurst-Kopien überzeugten aber auch geschmacklich: Mehrfach musste für Häppchen-Nachschub gesorgt werden.

alternativen Das Unternehmen Yofix hingegen stellte eine Reihe alternativer Milchprodukte vor, die mithilfe einer eigens entwickelten Technologie umweltfreundlich und abfallfrei produziert werden. Dahinter steckt der Gründer und Agraringenieur Ronen Lavee, der wegen einer Laktoseintoleranz lange nach überzeugenden Joghurt-Alternativen suchte. Als er nicht fündig wurde, habe er einfach selbst zu experimentieren begonnen. In der finalen Formel landeten ausschließlich gesunde Zutaten: Körner, Samen, Früchte und lebende Joghurtkulturen. Kein Zuckerzusatz, keine Konservierungs- oder Farbstoffe.

Vielversprechend ist auch die Mission von Innovopro. Das Unternehmen bietet nämlich keine fertigen Produkte an, sondern will vielmehr den Geschmack pflanzlicher Lebensmittel insgesamt verbessern. Innovopro glaubt, die Lösung in dem Protein der Kichererbse gefunden zu haben. Scheinbar erfolgreich: Die Fischbällchen, die das Innovopro-Protein enthielten, waren ebenso schnell vergriffen wie das Steak von Redefine Meat.

Ron Prosor behielt am Ende also recht, als er sagte: »Um eine köstliche Mahlzeit herzustellen, braucht es weder ein Huhn noch ein Ei.«

Alexander Estis

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