»The Marvelous Mrs. Maisel«

Woody Allen auf Speed

Sollte definitiv weiterreden: Rachel Brosnahan als Marvelous Mrs. Maisel Foto: dpa

Es gibt diesen einen Moment, da stehen sie im Türrahmen, sie sehen sich an, und nichts geschieht, und niemand sagt etwas, und niemand lacht. Die beiden, die da im Türrahmen stehen, lachen nicht, Mrs. Maisel und Lenny Bruce, und der Zuschauer lacht auch nicht und wundert sich vielleicht kurz; es ist, als ob man im Restaurant einen leeren Teller serviert bekommen würde: Was ist denn hier los?

Später, am Ende der Staffel, denkt der Zuschauer dann, dass es gut ist, irgendwie, dass sie sich nicht gekriegt haben, die beiden witzigen, charmanten, in ihrer humorvollen Ruhe bewundernswerten Komiker, weil es ein Versprechen der Drehbuchautoren ist. Dass es weiter geht mit Mrs. Maisel und ihrer hysterischen Ansammlung an abgedrehten Familienmitgliedern, aber auch, weil es ein Versprechen ist, nicht abzurutschen in ein klischeetriefendes, seufzerächzendes Happy End.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

NEW YORK Mrs. Maisel, die dritte: Die Frau, die im New York der 50er-Jahre hinauszieht, um die Stand-up-Comedy-Szene zu erobern, die ihr gesättigtes Umfeld auf der Upper West Side und die jüdische Community dafür nicht hinter sich lassen muss, sondern mit hineinzieht, was zur Basis für die Situationskomik dieser Serie werden darf, die Frau, die scheinbar furchtlos ist oder furchtlos oder eben humorvoll über die eigenen Ängste wandelt, ist wieder da. Jeder Fan dieser Serie – die es mit einem schnellen, selten platten, aber dennoch knalligen Humor schafft, sich ihre Fangemeinde in den unterschiedlichsten Zuschauergruppen zu holen, die sich sonst zwischen Science-Fiction-Shows, »True Crime«-Geschichten und cineastischen, auf Serienlänge gezogenen Filmen niemals auf eine gemeinsame Begeisterung einigen könnten – macht es sich auf der Couch bequem mit dem beruhigenden Wissen: Jetzt wird es lustig.

Es sind die Alltäglichkeiten, bei denen man sich das Finale in weite Ferne wünscht, bei denen man sich wünscht, Mrs. Maisel würde ihren Redeschwall nie beenden.

Midge Maisel (Rachel Brosnahan) hat in jeder der beiden vorherigen Staffeln je einen Mann für ihre Leidenschaft, den Humor, die Sehnsucht nach Bühne und Applaus, verlassen; sie hat es trotz der gesellschaftlichen konservativ-moralischen, der familiären schuldgefühlgeladenen Ächtung getan, sie hat es nicht ohne Gefühl getan, auch das mögen wir an ihr, sie hat es gegen den Willen ihrer Eltern (deren Woody-Allen-auf-Speed-haften Gefühls-, Wut- und Vorwurfsausbrüche wir lieben, während wir uns heimlich freuen, nicht Ziel dieser Ausbrüche zu sein) und an der Seite ihrer charmant-brüsken, lebensabgebrühten und natürlich innen herzbeseelten, maskulinen Managerin Susie (Alex Borstein) getan. Sie ist wieder da, es darf also wieder herzlich gelacht werden, denkt sich der Zuschauer, macht es sich bequem, kramt in der Erinnerung: Womit hat eigentlich die letzte Staffel geendet?

fan Und genau das ist vielleicht das Problem dieser letzten Staffel: Mrs. Maisel hatte ihren Verlobten für die Chance, als Vorprogramm eines berühmten Sängers auf Tournee zu gehen, verlassen, sie hatte obligatorisch mit ihrem Ex-Mann geschlafen, sie hatte sich entschieden, sie war gewachsen und mit ihr die Figuren um sie herum: ihre Kinder buchstäblich, ihre Milieu-angepassten Eltern, der besagte, unter dem Scheffel vertrocknete Ex-Mann im übertragenen Sinne. Amy Sherman-Palladino hatte diese emanzipatorische, charmant-aufmüpfige Geschichte, auch wenn man das als Fan überhaupt nicht wahrhaben wollte, eigentlich auserzählt.

Weshalb der Plot der dritten Staffel oft holpert und dabei gewollt wirkt: Mrs. Maisel, die entdeckt, dass der Sänger, mit dem sie auftritt, schwul ist, die sich nach unterbrochener Tournee als Werbesprecherin Geld zu verdienen versucht, Susie, die eine Spielsucht entwickelt, Midges Eltern, die ihre Wohnung verlieren und erzwungenermaßen bei der enervierenden Schwagerfamilie einziehen. Nichts davon möchte man wissen, aber missen möchte man die vielen kleinen, urkomischen Momente nicht, die dazwischen geschehen: Wie Midges Ex-Mann und sein Vater Wetten abschließen, welcher Goj bei der Brit als Erster in Ohnmacht fällt, oder wie Susie sich einen Sonnenbrand holt. Es sind diese Alltäglichkeiten, bei denen man sich das Finale in weite Ferne wünscht, bei denen man sich wünscht, Mrs. Maisel würde ihren enorm schnellen Redeschwall nie beenden.

Die Serie läuft bei Amazon Prime Video.

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter, Imanuel Marcus  04.12.2025