»Das Israel Wimmelbuch«

Wo Chassidim auf Autodächern tanzen

Und zum Schluss treffen wir uns am Strand von Eilat. Foto: Ariella

Dieses Buch will man haben. Und wenn man es hat, will man es immer wieder angucken, und danach will man nach Israel fliegen. Man könnte dieses Buch in Reisebüros auslegen, EL AL würde es einem danken. Zuvor müsste man es aber aus den Händen der Kinder kriegen – und das könnte schwierig werden.

Nun sind Wimmelbücher immer schön und bunt, ein Abbild einer heilen Welt mit höchstens hier und da ein paar kleinen, netten Malheurchen. Das Israel Wimmelbuch aus dem Ariella Verlag (in Zusammenarbeit mit dem Wimmelbuch Verlag Berlin), klar und witzig illustriert von Rachel Shalev, ist aber besonders schön, vielleicht weil es gefehlt hat und weil es hilft, die Zeit bis zur nächsten Reise nach Israel zu überbrücken.

Und weil es zu den bemühten Worten, Liedern und Fähnchen für Israel aus dem fernen kalten Deutschland Bilder fügt, die Nähe bringen. Kurzum, es hält die Verbindung. Dass es auch auf nichtjüdische Kinder mehr als einladend wirkt, ist ein wunderbarer Nebeneffekt. Außerdem schafft das Buch eine Art Ausgleich zur morgendlichen Zeitungslektüre. Es vermittelt ein Israelbild voller Lebensfreude, Vitalität und Optimismus. Es macht gute Laune.

entdeckungen Aber eigentlich gehört es ja dem Kind, dieses Wimmelbuch. Wimmelbücher gelten als pädagogisch sehr wertvoll, wegen der »aktiven Rezeption«, wie man das nennt. Sie schlagen Kinder ab etwa eineinhalb Jahren in ihren Bann, laden ein zu Entdeckungsreisen. Die kleinen Betrachter genießen ihren Überblick, ein großer Vorteil gegenüber der Buchfigur, die gleich in den nächsten Hundehaufen treten wird (das muss einfach sein im Wimmelbuch), und überbrücken damit vergnüglich die textlose Zeit, bis erste Buchstaben angesagt und angeraten sind. Mit dem Finger irgendwo auf dem Bild beginnen die Kleinen, zu quasseln und zu fragen, und dann ist es wunderbar, wenn jemand da ist, der ihnen zuhört und antwortet.

Rachel Shalevs Wimmelbuch führt Seite für Seite in angenehm großem, aber nicht zu großem Format durch Israel. Überall wimmelt es von verschiedensten Menschen – Touristen, eine orthodoxe Familie mit Kinderschar, junge Soldaten und Soldatinnen, auf dem Autodach tanzende Chassiden, drei Nonnen, ein Liebespaar, eine Beduinenfamilie, Einwanderer aus Äthiopien, ein Kibbuznik ...

tour Mit ihnen ziehen wir von Bild zu Bild: vom modernen Tel Aviv in den grünen Norden nach Galiläa, weiter nach Jerusalem mit Markt und Tempelberg, dann zum Naturschutzgebiet von Ein Gedi mit Steinböcken, gleich nebenan liegt in der gestauchten Bilderwelt der Schulamit-Wasserfall, in Nachbarschaft zur Masada-Seilbahn, schließlich geht es weiter zur Erholung nach Eilat, wo die drei Nonnen tauchen wollen.

Das macht das Blättern besonders interessant, dass die Menschen zusammen mit dem Betrachter durchs Buch ziehen und langsam zu Bekannten werden. Ideal ist es natürlich, wenn das Kind einen israelkundigen Erwachsenen zur Seite hat. Der erfreut sich still an kleinen Zitaten und Anspielungen: Theodor Herzl findet in seiner Basler-Balkon-Pose überall und auf jeder Seite sein Plätzchen, Ben Gurion macht seinen Kopfstand dieses Mal am Strand vom Toten Meer, und der »Tiras Cham«-Stand lässt irgendwo sieben maisknabbernde Kinder aus dem gleichnamigen Kinderbuchklassiker vermuten.

Wenn nicht nächstes Jahr in Jerusalem, dann auf jeden Fall heute das Israel Wimmelbuch.

Rachel Shalev: »Das Israel Wimmelbuch« Ariella, Berlin 2014, 16 S., 12.95€

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024