Hollywood

Wo bleiben Samuel Goldwyn und Adolph Zukor?

Academy Museum in Los Angeles Foto: imago images/ZUMA Wire

Es war ein Hollywood-Glamour-Aufschlag der Extraklasse, die Eröffnung des Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles! Genau, die Academy, die alljährlich die Oscars vergibt. Endlich ein Ort, wo Filmfans der Traumfabrik und ihren Stars ganz nah sein können – dank Tausender Filme, Fotos, Poster, Memorabilia und Hinter-den-Kulissen-Geheimnissen.

Lady Gaga war da, Tom Hanks, Nicole Kidman, Brad Pitt, Cher, Maggie Gyllenhaal … und dann ging es trotzdem unfassbar schief! Oder um es mit Talkshow-Star Bill Maher zu sagen: »Das Museum hat es gleich am ersten Tag gründlich verkackt!«

schaulaufen Schuld war das, was nach dem Schaulaufen der Stars kam. Denn in der Ausstellung des seit 2005 geplanten, 482 Millionen Dollar teuren Museums zur »Vergangenheit und Zukunft« des Kinos fehlten die Menschen, die Hollywood und damit die milliardenschwere, von den USA dominierte Weltindustrie Film überhaupt erst möglich gemacht haben: Studiogründer wie Carl Laemmle (Universal), Adolph Zukor (Paramount), Samuel Goldwyn und Sam, Albert und Harry Warner.

Allesamt jüdische Einwanderer aus Europa, die in Kalifornien den Neuanfang wagten. Louis B. Mayer, Co-Gründer von Goldwyn-Mayer, taucht in der aktuellen Ausstellung zwar auf, allerdings weniger als Gründervater denn als Tormentor von Kinderstar Judy Garland, so verschiedene Berichte.

Rabbi Marvin Hier, Leiter des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, fand deutliche Worte. »Ohne die jüdischen Vorreiter in Hollywood gäbe es kein Hollywood!«, sagte er dem »Hollywood Reporter«. »Wo sind die Juden?«, fragte Jonathan Greenblatt, Geschäftsführer der Anti-Defamation League (ADL), im »Rolling Stone«.

medienwelle Die Medienwelle rollte von »Forward« über »New York Times« bis Sarah Silverman auf Twitter. Beschwerden prasselten auf das Museum ein. Und wohl spätestens, als Hauptsponsor und Hollywood-Tycoon Haim Saban, dem das Museum mit 50 Millionen Dollar die größte Spende verdankt, wütend wurde und sich auch Medienmogul David Geffen meldete (25 Millionen Dollar), wurde reagiert.

Man nehme die Einwände ernst, »wir haben daraus gelernt«, so die Krisenkommunikation.

Man nehme die Einwände ernst, »wir haben daraus gelernt«, so die Krisenkommunikation. »Niemals wollten wir die jüdischen Gründer ausschließen«, so Museumspräsident Bill Kramer. Man habe schon lange eine temporäre Ausstellung über sie geplant. Die werde jetzt eine permanente Ausstellung und soll sich ab 2023 ausschließlich mit den vor allem jüdischen Gründerinnen und Gründern beschäftigen, die in Los Angeles einen Ort und ein Geschäft fanden, in dem Ausgrenzung und Antisemitismus noch nicht so ausgeprägt waren.

Neal Gabler, Autor des Klassikers An Empire of Their Own: How The Jews Invented Hollywood (Ein eigenes Reich: Wie jüdische Emigranten Hollywood erfanden), sieht eine besondere Ironie in dem Skandal: Hollywood sei von Anfang an aus der Angst seiner Gründer geboren, als Juden erkannt zu werden. Deshalb sei es geradezu passend, dass ein Museum, das sich der Geschichte Hollywoods widmet, diese Angst und Empfindlichkeit gleich mit verbaut.

STELLUNGNAHME Aber Ironie beiseite: Eine offene und ausführliche Stellungnahme musste her. Und die hat Museumsdirektor Kramer, neben zig Zitaten in Artikeln wie diesem, gleich zusammen mit Jonathan Greenblatt von der Anti-Defamation League im »Hollywood Reporter« geliefert: mit dem Kommentar »Die Academy und die Anti-Defamation League erklären, warum das Museum mit seiner kommenden Ausstellung Hollywoods jüdische Gründungsgeschichte erzählen muss«. Um es zu paraphrasieren: weil die Gründung Hollywoods auch eine Geschichte des Antisemitismus ist.

Schöner wäre allerdings eine Erklärung wie diese gewesen: Diesen Menschen gebührt ein fester eigener Platz in diesem Museum, weil sie einen verdammt guten Job gemacht haben, der den Grundstein all dessen gelegt hat, von dem dieses Museum zehrt. Dafür sollte auf knapp 30.000 Quadratmetern über sieben Stockwerke eigentlich genug Raum gewesen sein.

Gespräch

Warum Uschi Glas bei Antisemitismus nicht schweigen will

Uschi Glas spricht mit Charlotte Knobloch über Schweigen und Verantwortung in Zeiten eines wachsenden Antisemitismus. Und entdeckt ein unbekanntes Kapitel in ihrer Familiengeschichte

 10.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025