Mirit und Ariel Schiff

»Wir wollen Memories erschaffen«

Mitten im Berliner Leben: Ariel und Mirit Schiff vor ihrem Hotel am Hauptbahnhof. Das Paar ist seit vielen Jahren mit seiner Familie in Berlin zu Hause. Foto: Stephan Pramme

Mirit und Ariel Schiff sitzen nebeneinander auf einem großen Sofa. Vor ihnen steht Tee. Die gebürtige Israelin und der gebürtige Berliner, der seine Jugend in Spanien verbrachte, sind in einem ihrer Hotels in Berlin-Mitte und sprechen noch die letzten Planungen ab. Nebenan laufen die Vorbereitungen für eine Veranstaltung. Der gelernte Hotelfachmann und studierte Wirtschaftswissenschaftler und die Architektin sind nach Stationen in Spanien und den USA seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Berlin zu Hause. Die Amano Group feiert in diesem Jahr ihr 15. Jubiläum. Sie zeichnet verantwortlich für zwölf Hotels.

Frau und Herr Schiff, vor 15 Jahren fing es mit dem »Amano« an. Wie blicken Sie heute auf die Anfänge der Hotelkette zurück?
Ariel Schiff: Ehrlich gesagt, das ist für uns auch immer noch unfassbar. Als wir angefangen haben, waren wir ja keine Profis. Und wenn man überlegt, was daraus geworden ist – auch in relativ kurzer Zeit, dann ist das schon manchmal verrückt, denn wir hatten ja auch keinen Plan dahinter. Wir haben probiert, ein Hotel zu führen, und plötzlich merkten wir: Es funktioniert.
Mirit Schiff: Ich sehe das ähnlich wie Ariel. So was zu schaffen, ist schon bemerkenswert. Ich bin zwar etwas später mit aufgesprungen, aber wir können zurückblicken und schon stolz sein.

Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Angst vor der eigenen Courage, gerade in Berlin ein Hotel zu eröffnen?
Ariel Schiff: Die Rahmenbedingungen waren nicht gut. Aber wir hatten folgende Idee: Wir nehmen ein Grundstück, das keiner verwerten kann – vor 18 Jahren gingen Büros in Berlin gar nicht, und auch, das muss man sich einmal vorstellen, der Wohnungsbau war alles andere als nachgefragt. Und dann hatten wir also die Idee, dieses Hotel zu bauen. Ich ging mit den fertigen Plänen auf die Internationale Tourismusbörse, sprach mit Firmen, aber die Resonanz war gleich null. Es gab eine einzige Firma, die »Okay« sagte. Wir trafen uns dann am nächsten Tag auf dem Grundstück, ich habe die Pläne noch einmal gezeigt, und nach zwei, drei Minuten hieß es: »Wenn du mal eine gute Location hast, kannst du dich wieder melden.«

Wo war das?
Ariel Schiff: Rosenthaler Platz, also der »Prime Cut« aus heutiger Sicht.

Wann kam der Moment, an dem diese Location gut wurde?
Ariel Schiff: Als das Hotel fertig wurde, gab es diesen Mitte-Hype, der zwar nichts mit uns zu tun hatte, aber letztendlich war es so: Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und zum Unternehmertum gehören immer eine gewisse Risiko­bereitschaft und eine Vision. Wir haben uns von den schlechten Rahmenbedingungen nicht abhalten lassen. Und wir hatten auch Glück.
Mirit Schiff: Ich war damals – wir waren ja noch nicht zusammen zu diesem Zeitpunkt – oft Gast in der Amano Bar, weil das wirklich »The place to be« war. Ich habe im Dezember Geburtstag und wollte eigentlich woanders feiern, aber dann habe ich Ariel über seine damalige Freundin angerufen – er hatte zu der Zeit schon kein Handy. Ich sagte, wann ich feiern wollte, er sagte: »Komm vorbei« – eine schöne Geschichte.

Sind Sie beide glückliche Unternehmer?
Mirit Schiff: Sehr glücklich.
Ariel Schiff: Ich glaube schon, dass uns ganz bewusst ist, was wir machen, und auch, wie wir das leben. Viele Leute fragen: »Wie machst du das? Das ist doch total anstrengend!« Wir haben ja noch vier Kinder, Familie, Freunde – das gehört alles dazu. Das ist unser Leben. Ich denke nicht darüber nach, ob wir happy sind.
Mirit Schiff: Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber am Ende lieben wir uns alle.
Ariel Schiff: Das gehört ja auch dazu und ist normal. Das Schöne am Unternehmertum ist der Dank der Gäste für die wunderschönen Momente. Es macht Freude, wenn man ins Hotel kommt, eine Feier sieht und die Leute einfach glücklich sind und dann auch glücklich nach Hause gehen. Wir wollen »Memories« erschaffen. Für uns, für unsere Freunde.

Sie sind ein Paar, das zusammen arbeitet. Können Sie das immer gut vom Privaten trennen?
Mirit Schiff: Ariel kann es besser trennen als ich. Aber die Zeit, die wir mit der Familie haben, die verbringen wir ganz intensiv und bewusst. Wir haben Freitage, an denen sind wir ausschließlich in Familie, wir haben auch unsere Rituale; unsere Kinder sind aber auch total gern im Amano. Für sie ist es ganz normal, ins Hotel zu kommen und zu arbeiten. Meine große Tochter arbeitet auch abends auf Events. Wenn irgendetwas im Hotel ist, dann sind die Kinder mit dabei. Jeder kennt sie.
Ariel Schiff: Unsere kleinen Kinder kennen ganz viele Mitarbeiter beim Namen, und ich bin auch so groß geworden. Mein Vater hatte in Südspanien einen Nightclub, und dort war ich auch schon in jungen Jahren, stand hinter dem DJ, habe mit ihm zusammen aufgelegt.
Mirit Schiff: Für mich war der Punkt schon eine kleine Umstellung, weil ich bereits zwei Kinder aus erste Ehe hatte, und das war ganz anders. Wenn Ariel sagt, er nimmt die Kinder in Spanien abends mit, und wenn ich nachts um eins anrufe, sind sie immer noch im Restaurant, dann ist das schon etwas crazy, so sind wir. Auch wenn andere vielleicht denken, was sind das für Rabeneltern.
Ariel Schiff: Rabeneltern sind welche, die ihre Kinder zu Hause lassen. Coole Eltern sind die, die ihre Kinder mitnehmen. Und unsere Kinder wären beleidigt, wenn wir sie beim Feiern zu Hause ließen.

Sie haben das Konzept des Hotels – zumindest in einer Stadt wie Berlin – schon sehr geändert. Ein Ort, der sich wie ein Zuhause anfühlt. Woher kam denn diese Idee?
Ariel Schiff: Ich war einmal in New York im »Hudson Hotel«. Das war damals der Ort der Stunde. Ich fand es toll dort. Monate später war ich wieder in der Stadt, saß im Taxi und freute mich auf das Hudson. Mir wurde klar, dass plötzlich das Hotel im Vordergrund stand und nicht unbedingt New York. Ich habe mich richtig auf das Hotel gefreut. Da hat es bei mir Klick gemacht, und als wir dann überlegten, wie unser Hotel sein sollte, wusste ich: Ich möchte genau so etwas kreieren – dass sich Leute auf ein Hotel freuen und Lust haben, in das Hotel zu kommen, nicht nur, weil es eine gute Lage und bequeme Betten hat.
Haben Sie von Ihren Hotels eines, das Ihnen am liebsten ist?
Ariel Schiff: Dann könnten Sie auch fragen: Haben Sie ein Lieblingskind? Ich spreche einmal kurz für uns beide. Wir sind sehr emotionale Menschen. Und das Hotel mit den meisten Emotionen ist das »Mani«, weil wir dort unglaublich viele Feiern erlebt haben. Feiern, die wir nie vergessen werden. Familienfeiern, die Hochzeit, die Geburtstage unserer Eltern, ganz wichtig waren die Geburtstage der Kinder.

Wie sind Sie, wenn Sie selbst Urlaub machen?
Mirit Schiff: Wir sind sehr schwierige Urlauber in Hotels. Wir reisen natürlich gern, aber wir sind sehr, sehr kritisch bei vielen Sachen. Wir sind keine Nörgler, aber wir begutachten alles. Wenn wir am Tisch sitzen und gucken, wie lange wir warten, bis der Kaffee kommt. So richtig relaxt sind wir nicht. Aber wir lernen aus von vielen Dingen und von anderen Menschen.
Ariel Schiff: Wir hatten ja vorhin die Frage, ob wir glückliche Unternehmer sind. Diese Leidenschaft für die Hotellerie, für die Gastronomie, die kannst du ja nicht im Urlaub plötzlich abschalten, es geht ja nicht. Und klar, wir gucken und beurteilen, aber wir sagen auch: Mein Gott, wäre das schön, wenn wir das bei uns hier so hätten.

Was hilft Ihnen beim Abschalten?
Mirit Schiff: Ariel kommt schnell runter. Der kann das total gut. Ich muss aber auch dazu sagen: Er hat kein Handy. Das heißt, man kann ihn eigentlich nicht erreichen. Ich hingegen habe ein Handy, und alle rufen mich an. Aber meistens kann ich sehr gut in den Sommerferien entspannen. Wir sind oft in Spanien, und wenn wir da sind, sind wir eben in Familie. Ich brauche zwar ein paar Tage, aber Ariel kann das: Badehose an, Sonne. Super.
Ariel Schiff: Es ist nicht so, dass ich da nicht arbeite. Ich telefoniere auch, kläre etwas, und dann ist es auch wieder gut. Danach gehe ich ins Meer. Selbst wenn ich einen Anruf mit etwas mehr Stress habe, dauert es zehn Minuten und weiter geht’s.

Was haben Sie von Ihrer Frau gelernt?
Ariel Schiff: Mirit ist, bei allem Enthusiasmus, den ich auch habe, leidenschaftlicher und unfassbar perfektionistisch. Gerade, was Veranstaltungen angeht. Und das hat das Unternehmen auch extrem vorangebracht. Ich bin auch mehr ein Generalist auch. Mirit achtet auf Details, die nachher den großen Unterschied ausmachen. Ohne Mirits Input wären unsere Veranstaltungen nicht so, wie sie sind.

Das schöne Leben gehört ins Hotel, die Realität leider auch: Wie war die Zeit nach dem 7. Oktober 2023?
Mirit Schiff: Die ersten zwei Monate waren sehr, sehr schwierig für uns. Wir haben ja sehr viele israelische Mitarbeiter. Leute wurden zur Armee eingezogen. Es war eine ganz, ganz schwierige Stimmung hier. Viele kannten Familien oder Menschen, deren Angehörige getötet worden waren. Wir hier in Berlin haben ganz viel Charity gemacht, haben Leute eingeladen. Es war alles nicht so einfach.
Ariel Schiff: Auf eine Sache bin ich sehr stolz, und die ist auch wirklich besonders: Wir haben bei Amano sehr viele jüdische und sehr viele muslimische Mitarbeiter. Und wir haben es geschafft, den Konflikt hier weitestgehend herauszuhalten. Es hat niemand gekündigt während der Zeit. Nicht auf der einen Seite, nicht auf der anderen Seite. Wir arbeiten alle respektvoll und teilweise freundschaftlich, zumindest aber respektvoll miteinander. Das ist etwas wirklich ganz Besonderes in der heutigen Zeit und auch Teil der Unternehmensphilosophie. Ich finde, das ist auch ein Zeichen der Hoffnung, das zeigt: Trotz dieser angespannten Situation, die auf beiden Seiten mit Leid verbunden ist, kann man ein vernünftiges Miteinander schaffen. Für mich ist das wirklich besonders!

Wie gelingt Ihnen das?
Mirit Schiff: Für mich ist ausschlaggebend, dass wir sehr nah bei unseren Mitarbeitern sind. Wir sind nicht die typischen Chefs, die irgendwie dasitzen und mit keinem reden. Wir kennen unsere Leute, kennen ihre Geschichten. Und das spiegelt sich auch bei unseren Events wider. Wir heißen alle willkommen. Wenn ich jemandem die Hand gebe und sage: »Komm mit auf meine Journey«, dann ist es das, was reinzieht, dieses Gefühl, dass du in diesem Moment ganz bei uns bist.

Mit dem Berliner Unternehmerpaar sprach Katrin Richter.

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