Imre Kertész

»Wir lernten von ihm«

Eva Menasse, Schriftstellerin:
»Zum Leben und zum Tod des reizenden und immens liebenswürdigen Imre Kertész sind nicht viele Worte zu machen: Sein Roman eines Schicksallosen ist die literarisch ewig gültige Erzählung über die Schoa, darüber, wie das KZ den Menschen pervertiert, nämlich eben auch das Opfer – kein anderer Text kommt in seiner Unmittelbarkeit, gnadenlosen Ehrlichkeit und in seiner künstlerischen Überformung dem Unerträglichen und Unaussprechlichen so nahe. Es ist ein Meisterwerk des Überlebens und der literarischen Kunst, wobei eins das andere bedingt, wie Atemzüge, hin und her.«

Rabbiner Joel Berger:
»Seines Judentums wurde sich Imre Kertész erst durch Auschwitz bewusst – es war nicht nur ein Einschnitt, sondern ein Wendepunkt in seinem Leben. Seine Erlebnisse haben dazu beigetragen, dass er sich später mit dem jüdischen Staat und insbesondere der Hauptstadt Jerusalem eng verbunden fühlte. Anlässlich der Jüdischen Kulturwochen haben wir Imre Kertész nach Stuttgart eingeladen. Aus dieser Begegnung bleibt mir in Erinnerung, welch große Wirkung dieser nachdenkliche Mann auf die Leser- und Zuhörerschaft in Deutschland ausübte.«

Lena Gorelik, Schriftstellerin:
»Einer der Großen ist von uns gegangen, das liest man immer so, in Nachrufen, und das wiederholt man dann, einfach, weil es gut klingt. Aber diesmal ist tatsächlich einer der Großen von uns gegangen: Imre Kertész. Eine befreundete Autorin schrieb ›Ohne ihn wäre ich nicht, wer ich bin‹, und ich stimmte ihr zu, ohne Pathos. Von Imre Kertész lernten wir, als wir ihn aufsaugten, weil man seine Bücher nicht einfach liest, nicht nur schreiben; wir lernten fühlen. Von ihm, dem sie das Fühlen auszutreiben versucht haben, von ihm, einem der Großen.«

Doron Rabinovici, Schriftsteller:
»Imre Kertész hatte die Vernichtung durchstanden. Er blieb in allen Jahrzehnten danach der eigentliche Außenseiter, der im Schreiben ausharrte. Er fügte sich nicht. Nicht im Stalinismus und nicht im Ungarn der Gegenwart. Selbst angesichts der Auszeichnung durch den Nobelpreis war er ein Gezeichneter, ein Skeptiker, der uns befremdet auf eine Welt zu blicken lehrt, in der das, was ihm widerfahren war, möglich ist. Er fand zu einer neuen, zu einer atonalen Sprache, die anzeigt, wie sie es einem verschlägt. Er bekundete uns seine Ohnmacht im Verbrechen, doch auch seine trotzige Weigerung, sich je damit zufriedengeben zu wollen.«

Josef Schuster, Zentralratspräsident:
»Mit Imre Kertész sel. A. verlieren wir einen bedeutenden Autoren, Journalisten und Übersetzer, der mit seinen Romanen die Weltliteratur geprägt hat. Wir verlieren aber auch einen Menschen, der mit seiner Geschichte das Grauen in Worte gefasst und damit die Erinnerung an das dunkelste Kapitel des 20. Jahrhunderts wachgehalten hat. Zeit seines Lebens wurde Kertész nicht müde, auf den erstarkenden Antisemitismus, auch in seinem Heimatland Ungarn, aufmerksam zu machen.«

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025