Cannes

Wilde Geschichten, gute Geschäfte

Damián Szifrón Foto: dpa

Bedeutende Preise gewannen sie zwar kaum. Einen starken Auftritt aber hatten Filme israelischer und jüdischer Filmemacher trotzdem beim renommiertesten Treffen des internationalen Autorenfilms, dem Filmfestival von Cannes.

Am vergangenen Wochenende ging es mit der Preisverleihung an den türkischen Film Winter Sleep von Nuri Bilge Ceylan zu Ende. Sechs Filme aus Israel liefen in den vier Festivalsektionen, dazu gab es diverse Beiträge jüdischer Filmemacher: Mit der Auszeichnung für die »Beste Darstellerin« an Julianne Moore wurde David Cronenbergs sarkastische Hollywood-Farce im Wettbewerb bedacht.

Überraschung Zur größten Überraschung wurde aber der drittjüngste Filmemacher im Wettbewerb, der bislang international fast völlig unbekannte, aus einer galizisch-jüdischen Familie stammende Argentinier Damián Szifrón. Sein Film Relatos Salvajes (Wilde Geschichten) war eindeutig der witzigste Film.

In einem Wettbewerb, in dem es traditionell sonst wenig zu lachen gibt, animierte die Darstellung einer jüdischen Hochzeit, die völlig aus dem Gleis gerät, auch das hartgesottene Kritikerpublikum zu Lachsalven. Durch Zufall erfährt die Braut mitten auf der Feier, dass ihr frisch Angetrauter erst kürzlich mit einer Bürokollegin fremdging – und auch noch die Frechheit hatte, diese zur Hochzeit einzuladen.

Erschüttert, zugleich fest entschlossen, sich die Party nicht verderben zu lassen, nimmt sie Rache: Sie tanzt in höllischem Tempo und befördert dabei »ganz zufällig« den ungeliebten Hochzeitsgast ins Krankenhaus, schläft irgendwann mit dem völlig überrumpelten Koch, und vor allem macht sie ihrem Gatten klar, wer in Zukunft zu Hause das Sagen hat. Bestechend ist Erica Rivas – als sehr schöne, energiegeladene Braut wirkt sie wie die legitime Nachfolgerin von Anna Magnani.

Diese Episode ist die beste und längste eines fünfteiligen Episodenfilms, der von den spanischen Almodóvar-Brüdern produziert wurde und in fünf Kurzfilmen, die sonderbare Begegnungen von Ungleichen schildern, ein Panorama des modernen Argentinien bietet – und toughe, abgründige, sehr lustige und kompromisslose Gesellschaftskritik. Szifrón ist zu Hause mit Los Simuladores bekannt geworden, einer Fernsehserie, die, so Kenner, »das argentinische Fern- sehen revolutionierte«.

Preis Der »Preis der unabhängigen Filmkritik« ging an den Israeli Nadav Lapid für seinen zweiten Spielfilm The Kindergarden Teacher, der auf höchst originelle Weise eine wichtige Botschaft in Bilder fasst: die Poesie an die Macht!

Erschütternd, leider aber nicht restlos geglückt war Keren Yedayas That Lovely Girl in der Sektion »Un Certain Regard« – die Geschichte der Zwangsgemeinschaft zwischen einem Vater und einer Tochter in Tel Aviv, die sexuellen Missbrauch ebenso einschließt wie ein »echtes« liebevolles Verhältnis. Am Ende geht es darum, auch die archetypischen Teile der Vaterfigur zu zerstören. Schläge, Vergewaltigung, Essstörung und missglückte Ausbrüche – einer der unangenehmsten Filme von Cannes 2014.

Spannend dagegen war Asaf Kormans At Li Layla: eine bewegende Charakterstudie über eine Frau, die sich um ihre behinderte Schwester kümmert. Schließlich die Go-Go Boys: Hilla Medalias Dokumentarfilm über Menahem Golan und Yoram Globus, das so hochbegabte wie geschäftstüchtige israelische Duo, das das Hollywood- Studio »Cannon Films« gründete und in den 80er-Jahren mit Chuck-Norris- und Charles-Bronson-Filmen Millionen verdiente.

Fußball

Manuel Neuer sieht rot. Daniel Peretz bekommt seine Chance

Für den Israeli ist es insgesamt erst der dritte Pflichtspieleinsatz im Tor der Bayern-Profis

von Klaus Bergmann  03.12.2024 Aktualisiert

Zahl der Woche

85 Cent

Fun Facts und Wissenswertes

 03.12.2024

Aufgegabelt

Gemüsesuppe mit Maispoularde

Rezepte und Leckeres

 03.12.2024

Jubiläum

»Good Sex with Dr. Ruth« - Deutsches Exilarchiv feiert 75-jähriges Bestehen

Das Archiv sammelt die Schriften und Werke von Autoren, Illustratoren und Künstlern, die von den Nazis ins Exil getrieben wurden

 03.12.2024

Nachruf

Marshall Brickman: Vom Banjo-Spieler zum Regisseur

Die Liste der Drehbücher, die er mit Woody Allen schrieb, ist lang

 03.12.2024

Meinung

Die Universität Leipzig kuscht vor BDS-Anhängern

Die Absage eines Vortrags des Historikers Benny Morris legitimiert die Erpresserlogik israelfeindlicher Gruppen

von Chris Schinke  02.12.2024

Rezension

Unschöne neue Welt

Autokraten handeln vernetzt. Das macht sie umso gefährlicher, befindet Anne Applebaum in ihrem neuen Buch

von Ralf Balke  02.12.2024

Restitution

Massive Kritik an Gesetzentwurf zur Rückgabe von NS-Raubgut

Bei Sachverständigen ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut durchgefallen. Er sei ungeeignet. Deutschland falle damit bei der Restitution zurück

von Stefan Meetschen  02.12.2024

Berlin

Anne Frank Zentrum feiert 30. Jubiläum

Anlässlich seines 30-jährigen Bestehens lädt das Anne Frank Zentrum in Berlin am Wochenende in die Ausstellung »Alles über Anne« ein. Der Eintritt ist frei

von Stefan Meetschen  02.12.2024