Internationale Filmfestspiele

Western am Lido

Ethan und Joel Coen bei der Vorstellung ihres Westerns »The Ballad of Buster Scruggs« in Venedig Foto: dpa

Unzählige Male schon wurde der Western als Filmgenre für tot erklärt, und dann gibt es doch immer wieder einen Film, der das Gegenteil belegt. In Venedig sind es nun sogar gleich zwei.

Nachdem die Coen-Brüder mit ihrem hochkarätig besetzten Netflix-Film The Ballad of Buster Scruggs mehrere Western-Kurzgeschichten als eine Art Fingerübung in verschiedenen Tonlagen vorstellten, zeigte ausgerechnet der Franzose Jacques Audiard in The Sisters Brothers, dass man einen Western drehen kann, der von Goldrausch und Revolverhelden erzählt und sich trotz historischem Setting vollkommen neu anfühlt.

Auftragskiller Die Sisters Brothers, das sind bei Audiard die Brüder Charlie (Joaquin Phoenix) und Eli (John C. Reilly), die ihr rastloses Reiterdasein als ruchlose Auftragskiller bestreiten. Sie sollen einen Goldsucher (Riz Ahmed) dingfest machen, der angeblich eine Geheimformel zum Auswaschen des Edelmetalls kennt. Der Abenteurer John Morris (Jake Gyllenhaal) nimmt für die Brüder dessen Spur auf. Aber als sich die vier Männer schließlich begegnen, lassen sie nicht die Waffen sprechen, sondern kommen anders ins Gespräch.

Zwar schlägt auch bei Audiard der typische Western-Fatalismus zu, aber er lässt seine Helden dabei ungewohnt viel Selbsterkenntnis erlangen. Dem Regisseur von Ein Prophet gelingt dabei erneut ein faszinierend vielschichtiges Porträt von Männlichkeit. Seine Sisters Brothers lässt er ihre femininen Seiten ausloten, ohne sie je ganz der Lächerlichkeit preiszugeben.

Allenfalls schmunzelt man über John C. Reilly, der in einer Art Running Gag die Vorzüge des Zähneputzens entdeckt. Überhaupt glänzt Reilly in seiner Rolle, schwankend zwischen kleinmütiger Bedächtigkeit und stoischer Tiefe, und wäre ein wunderbarer Kandidat für einen Darstellerpreis.

Krisen Harte Konkurrenz ist ihm jedoch mit der nächsten Premiere im Wettbewerb erwachsen, Julian Schnabels At Eternity’s Gate. Willem Dafoe spielt darin den Maler Vincent van Gogh mit einer solch fesselnden Mischung aus Empfindsamkeit, Erleuchtung und wahnhaftem Trotz, dass man die Augen kaum abwenden kann.

Schnabels Film widmet sich den letzten, von Misserfolg und psychischen Krisen geprägten Jahren des Malers, mit einer entschieden subjektiven Kamera. Wie nebenbei greift diese die bekannten Motive von Van Goghs Bildern auf, ohne illustrativ zu werden. Es ist ein Porträt von ergreifender Traurigkeit, das zugleich die Kunst des gepeinigten Mannes feiert.

Subjektive Pein und große Geschichte brachte der Ungar László Nemes in seinem Holocaust-Film Son of Saul mit einer formalen Stringenz zusammen, die ihm als Spielfilmdebütanten sowohl die Goldene Palme in Cannes als auch den Auslands-Oscar einbrachte. Es scheint klar, dass sein zweiter Film den Erwartungen nicht standhalten kann. Dazu noch verwendet Nemes in Sunset eine ganz ähnliche Erzählform, nur dass sie hier nicht mehr neu erscheint.

Budapest Diesmal folgt seine Kamera einer jungen Frau, die nach langer Abwesenheit in ihre Geburtsstadt Budapest zurückkehrt. Man schreibt das Jahr 1913, und die kommende Weltkriegskatastrophe zeichnet sich in vielerlei Turbulenzen ab, durch die die junge Frau auf der Suche nach einem verschollenen Bruder gleichsam geisterhaft hindurchschreitet. Doch anders als in Son of Saul läuft hier die formale Ambition ins Leere.

Zu verschwommen bleibt das, wovon Nemes hier erzählen will, von Klassen-, Geschlechter- und nationalen Gegensätzen. Statt sich für den Zusammenbruch von Österreich-Ungarn zu interessieren, mystifiziert er den Moment, an dem es schon keinen Ausweg mehr gab. So bildet Sunset eine der raren Enttäuschungen in einem nach wie vor exzeptionellen Wettbewerbsjahrgang in Venedig.

Die Internationalen Filmfestspiele von Venedig enden am Samstagabend mit der Verleihung des »Goldenen Löwen« für den besten Film.

50. Filmfestival Toronto

Russell Crowe spielt Hermann Göring

Doku »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« erzählt den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aus israelischer Perspektive

 04.09.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  04.09.2025

Sehen!

»Happy Holidays«

»Ajami«-Regisseur Scandar Copti erzählt die Geschichte einer arabischen und einer jüdischen Familie in Haifa

von Dietmar Kanthak  04.09.2025

Serie

Rath im Ruhestand: Volker Kutscher schließt das Kapitel Gereon Rath

Ein letztes Mal betritt Gereon Rath die Bühne: In »Westend« verwebt Volker Kutscher Zeitgeschichte, Erinnerung und Fiktion zu einem fulminanten Abschied von seinem Kommissar – und zeigt, wie Vergangenheit nachwirkt

 04.09.2025

TV-Tipp

Exil-Beziehung in Zeiten des Krieges: Arte-Doku zur Liebe von Erich Maria Remarque und Marlene Dietrich

Eine Arte-Doku zeichnet die Liebesbeziehung zwischen den deutschen Exil-Weltstars Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque nach. Dabei setzt sie oft auf Interpretationen statt auf Fakten, hält aber dennoch die Balance

von Christian Bartels  03.09.2025

Fotografie

Doppelausstellung zu Helmut Newton in Berlin

Helmut Newton gehört zu den populärsten Modefotografen der Popkultur. Eine Doppelausstellung in Berlin beleuchtet nun seine Werke - und bringt sie mit Bildern anderer Künstler in einen Dialog

von Daniel Zander  03.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  03.09.2025 Aktualisiert

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. September bis zum 11. September

 03.09.2025

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  02.09.2025