Gammastrahlen

Wenn’s im Universum blitzt

Sie gelten als eines der großen Rätsel der Wissenschaft: Gammastrahlenblitze, in der Fachwelt auch Gamma Ray Bursts (GRB) genannt. Dabei handelt es sich um die stärksten Energieausbrüche überhaupt, die irgendwo in den Weiten des Universums ihren Ursprung haben.

Kosmos Innerhalb kürzester Zeit wird bei einer solchen kosmischen Explosion mehr Energie freigesetzt, als es die Sonne in den gesamten 4,6 Milliarden Jahren ihrer Existenz je vermochte. Das geschieht aller Wahrscheinlichkeit nach immer dann, wenn sich ein massereicher Planet in den Tiefen der Galaxis verabschiedet und in sich zusammenfällt. Das dauert einige Sekunden und sorgt für reichlich Wumms.

»Wir haben wohl den Rosetta-Stein der Gamma Ray Bursts identifizieren können.«Tsvi Piran

Als zweite Ursache für die Ausbrüche wird die Verschmelzung kompakter Sternleichen, beispielsweise zweier Neutronensterne, genannt. Im Unterschied zu den sterbenden Planeten sind die Gamma Ray Bursts dann deutlich kürzer und schwächer.

Entdeckt wurden diese Phänomene übrigens rein zufällig in den 60er-Jahren durch amerikanische Vela-Satelliten, die dazu gedacht waren, oberirdische Atombombentests anhand der von ihnen ausgehenden Gammastrahlung zu erfassen. Es dauerte ein paar Jahre, bis man zu der Erkenntnis kam, dass diese manchmal gar nicht von der Erde stammten, sondern aus den Tiefen des Weltalls.

TELESKOP Trotzdem blieben einige Fragen noch offen. Vor allem über die Art und Weise, wie diese unglaubliche energiereiche Strahlung eigentlich genau produziert wird, wird seit längerer Zeit gerätselt. Damit könnte jetzt Schluss sein, wie Tsvi Piran vom Schwarzmann-Lehrstuhl am Racah-Institut für Physik an der Hebräischen Universität in Jerusalem glaubt.

»Wir haben wohl den Rosetta-Stein der Gamma Ray Bursts identifizieren können«, so der Experte in Anspielung auf die über 2000 Jahre alte steinerne Tafel mit ihrer dreisprachigen Inschrift, deren Fund 1799 das Entziffern der altägyptischen Hieroglyphen möglich gemacht hatte.

Gammastrahlen machen Leben auf fernen Planeten extrem unwahrscheinlich.

Anlass für seinen Enthusiasmus war die Erfassung einer besonders heftigen Gammastrahlenexplosion im Januar dieses Jahres durch einen Detektor des Neil-Gehrels-Swift-Forschungssatelliten der NASA, die als GRB190114C registriert wurde und ihren Ursprung wohl vor 4,5 Milliarden Jahren in einer fernen Galaxie hatte.

Nur 50 Sekunden später wurden die »Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov«-Teleskope (MAGIC) am »Roque de los Muchachos«-Observatorium in Gang ge­setzt, die die Herkunft zu lokalisieren versuchten und dabei Strahlen mit einer Energie von Teraelektronenvolt (TeV) feststellten, also rund das Zehnfache der höchsten jemals gemessenen Menge.

Diskrepanz Piran und sein Kollege Evgeny Deri-shev vom Institut für Angewandte Physik an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Nischni Nowgorod kombinierten nun die nagelneuen Daten aus Spanien mit denen des Beobachtungssatelliten, wobei sie eine Diskrepanz beobachteten, die Rückschlüsse auf die Emissionsmechanismen zuließ.

»Die beobachtete Strahlung stammt aus einem Strom, der sich fast mit Lichtgeschwindigkeit auf uns zubewegt hat«, schreiben Piran und Deri­shev in einem Beitrag für das Fachmagazin »Astrophysical Journal Letters«. »Was MAGIC dabei gemessen hat, wurde von Elektronen innerhalb dieses Strahls auf besagtes TeV-Energielevel beschleunigt.«

Auch die Erde war wohl schon einmal von einer derartigen Apokalypse betroffen.

Dieser Prozess, wenn Elektronen mit sehr hoher Energie auf schwächere Photonen treffen und dadurch noch einmal an Power zulegen, nennt sich »Inversiver Compton-Mechanismus«. Was etwas kryptisch klingt, ermöglicht es, endlich zwischen den beiden Ursachen von Gamma Ray Bursts genauer zu differenzieren und die Umstände einer derartigen Explosion präziser benennen zu können. »Wir verstehen nun auch, warum solche hohen Strahlungswerte nie zuvor in der Vergangenheit erfasst wurden«, so der israelische Wissenschaftler.

LEBENSGEFAHR Seit 1989 beschäftigt sich Piran bereits mit dem Thema. Vor rund fünf Jahren sorgte er mit einer anderen These für Schlagzeilen: Dass bis dato noch keine Außerirdischen entdeckt wurden, steht für ihn ebenfalls im Zusammenhang mit den Gamma Ray Bursts. »Sie stellen aufgrund ihrer Strahlenintensität eine Gefahr für das Leben dar«, erklärte der Wissenschaftler aus Jerusalem in einem Fachbeitrag, den er gemeinsam mit seinem Kollegen Raul Jimenez für die American Physical Society verfasst hatte.

Auf diese Weise werde die Ozonschicht von Planeten zerstört, weshalb die Entwicklung komplexer Lebewesen einen Dämpfer erhält oder gar völlig unmöglich wird. »Je näher sich Sterne am Zentrum der Milchstraße befinden, desto unwirtlicher werden sie durch die Gamma Ray Bursts.« Wenn man das Universum als Ganzes in Betracht zieht, sind die sichersten Umwelten also eher ganz am Rande beheimatet, weil die Strahlung sich bis dorthin abschwächt und deshalb die Chancen größer sind, dass sich Leben entwickeln kann.

Apokalypse Auch die Erde war wohl schon einmal von einer derartigen Apokalypse betroffen, die dann ein gigantisches Artensterben auslöste, glauben Piron und Jiminez. Sie gehen von einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass dies in den vergangenen eine Milliarde Jahren der Fall war, und sprechen bezogen auf die letzten fünf Milliarden Jahre sogar von einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Bakterien und andere einfachere Lebensformen würden sich danach aber schnell wieder erholen, so die gute Nachricht. Die schlechte: Komplexere und intelligentere Organismen fangen evolutionstechnisch dagegen wieder bei null an.

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