Lesen

Wenn die Kameras aus sind

Der Politikberater Daniel Levin wirft einen Blick in die verschlossene und absurde Welt der Mächtigen

von Rivka Kibel  05.11.2018 15:42 Uhr

In seinem Buch hat Levin Verfehlungen, Peinlichkeiten und Skandale von Staatschefs zusammengefasst – authentisch, ehrlich und amüsant.

Der Politikberater Daniel Levin wirft einen Blick in die verschlossene und absurde Welt der Mächtigen

von Rivka Kibel  05.11.2018 15:42 Uhr

Ein skurriles Frühstück mit Staatschefs der Vereinten Nationen. Ein Dinner mit einem chinesischen Großindustriellen, der seinen Château Pétrus über den grünen Klee lobt, obschon er eigentlich nach Essig schmeckt. Und der Bestechungsversuch eines Mitglieds der Antikorruptionsbehörde unter arabischem Sternenhimmel.

Was Daniel Levin in seinem Buch Alles nur ein Zirkus beschreibt, gleicht einer Schleuderfahrt durch die Absurditäten des politischen Parketts. In dem Werk hat er Verfehlungen, Peinlichkeiten und Skandale aus seiner mehr als 20-jährigen Tätigkeit als Politikberater zusammengefasst – authentisch und ehrlich, auch sich selbst gegenüber, was neben anderem den Charme des Buches ausmacht.

Typologie Levin präsentiert sich nicht als jemand, der durch die Welt reist und Regierungen überheblich diktiert, was sie zu tun haben. Sondern als einer, der auch seine eigenen Unzulänglichkeiten kennt. Diese offenbart er ebenso schonungslos wie die der oberen Zehntausend. Amüsant, entlarvend – obwohl er keine Namen nennt –, unterhaltsam und oft fast enervierend detailreich. Bis einem klar wird, dass auch die Essgewohnheiten von Staatsoberhäuptern wichtig sein können, wenn man deren Typologie erfassen will.

Das politische Parkett hat Levin bereits als Kind kennengelernt. Sein Vater war Diplomat in Kenia, später zog die Familie in die Schweiz. Dort besuchte Levin das Gymnasium, seine Studienzeit verbrachte er in Zürich und New York, wo er nach der Anwaltskarriere als Berater von Regierungen arbeitete.

Jemen Zu den Zielgebieten Levins, der in einem traditionellen jüdischen Elternhaus aufgewachsen ist, zählen heute vor allem auch viele muslimisch geprägte Staaten wie Saudi-Arabien oder Jemen. Frappierend: Sein Judentum war dort nie ein Hindernis für den Aufbau von Beziehungen. Im Jemen ist es für ihn sogar hilfreich, dass er auch in Israel gelebt hat, denn manche Stämme sprechen Aramäisch, was dem Hebräischen viel ähnlicher ist als Arabisch.

Die Reaktionen auf Levins Buch? Es hat ihn nach eigenem Bekunden überrascht, dass sich nicht alle Protagonisten wiedererkannt haben. Die Russen hätten gelächelt, das Feedback aus Washington sei »nicht ganz so nett« gewesen, berichtet Levin. Und seine Mutter sorgt sich um sein Wohlergehen. Erleichterung wird ihr Levins nächstes Buch nicht bringen: Schauplatz ist Syrien.

Daniel Levin: »Alles nur ein Zirkus«. Elster, Zürich 2018, 264 S., 22 €

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert