Humor

Von Schnorrern und Duellanten

Freidrich Torberg Foto: imago images / United Archives

Humor

Von Schnorrern und Duellanten

Warum Friedrich Torberg Salcia Landmann verriss und der echte jüdische Witz ganz anders funktioniert

von Christoph Gutknecht  14.12.2020 10:48 Uhr

Im Jahr 1960 erschien in Freiburg Salcia Landmanns Buch Der jüdische Witz, das der Schriftsteller und Kritiker Friedrich Torberg im Oktober 1961 in einem Aufsatz in der Zeitschrift »Der Monat« einen »beunruhigenden Bestseller« nannte – in seiner vernichtenden Rezension mit dem Titel »Wai geschrien! oder: Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz«. Torberg warf der Verfasserin darin vor, eine Sammlung schlechter, weder spezifischer noch verbürgter noch jüdischer Witze angelegt und diese bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt zu haben.

Verständnis 1971 erschien in Berlin ein Buch, das leider – wie es oft mit guten Werken geschieht – keinen großen Bekanntheitsgrad erlangte. Dabei ist es die faszinierend geschriebene Replik auf das Landmann’sche Buch. Es stammt von Jan Meyerowitz und heißt Der echte jüdische Witz. Der Autor betont darin, dass das talmudische Denken ein Schlüssel zum tieferen Verständnis des jüdischen Witzes sei.

»Keine andere orthodoxe Religion zeigt so viel Verständnis für die natürlichen Notwendigkeiten des Lebens, und es ist die eigentliche Aufgabe des Talmuds, Leben und Gesetz in gleichberechtigten Einklang zu bringen. Diese Humanisierung des Gesetzes ist das Hauptthema der jüdischen Gesetzesinterpretation. Die humoristische Übertreibung jener Humanisierungsversuche ist das Prinzip des jüdischen Witzes.«

Schinken Ein Beispiel: Ein Jude steht vor einem christlichen Fleischerladen und betrachtet ihm verbotenen Schinken. Schließlich läuft ihm doch das Wasser im Munde zusammen; er geht hinein und erfragt den Preis, worauf in nächster Nähe ein schrecklicher Donnerschlag ertönt. Der Jude dreht sich um und sagt in Richtung der atmosphärischen Störung: »Mer darf doch noch fragen?!«

Das große Spannungsverhältnis zwischen katholischer Kirche und jüdischer Religion ist fast so alt wie das Christentum selbst. Ein Kurzdialog verdeutlicht, wer hier wem rhetorisch den Spiegel vorhält: Priester: »Wann geben Sie endlich diese blöden Speisegesetze auf?« Rabbiner: »Am Tag Ihrer Vermählung, Euer Exzellenz.«

Pflicht Eine weitere Kategorie jüdischer Witze umreißt Siegfried Schmitz im Nachwort zu der von ihm und Max Präger 1927 als Jüdische Schwänke edierten Sammlung: »Zur äußeren Charakteristik des jüdischen Witzes sind die eigenartigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der jüdischen Masse im Osten heranzuziehen … (Es) sei bemerkt, dass es im jüdischen Volkswitz unendlich viele Schnorrergeschichten gibt, weil eben die große wirtschaftliche Not unendlich viele Varietäten des Bettelns hervorgebracht hat und weil in der jüdischen Anschauung die Pflicht, den Armen zu beschenken, eine große Rolle spielt.«

In seinem Aufsatz »The Gift of Alms« hat Samuel C. Heilman 1975 in der Zeitschrift »Urban Life and Culture« verschiedene Bettelarten unter orthodoxen Juden soziologisch untersucht.

Ein klassischer Witz dazu lautet: Zwei Brüder erhalten regelmäßig von Rothschild eine Unterstützung von 100 Mark. Einer der Brüder stirbt, der andere kommt und will 200 Mark kassieren. »Nein«, sagt der Baron, »Ihr Herr Bruder ist verstorben, Sie erhalten 100 Mark.« – »Wer ist der Erbe? Ich oder Sie, Herr Baron?!«

Christ Dass viele jüdische Witze in für Juden unzugänglichen Welten spielen, wertet Jan Meyerowitz als »spielerische Irrealität«. Unter Juden gibt es zum Beispiel keine ritualisierten Duelle, gleichwohl gibt es dazu etliche Witze.

Man amüsiert sich über die Vorstellung, wie die jüdische Mentalität auf solchen Ehrenhandel reagieren würde: Ein Jude und ein Christ haben einen Ehrenhandel, der durch ein sogenanntes amerikanisches Duell gesühnt werden muss.

Diese Art Duell besteht darin, dass die Duellanten aus einer Urne eine weiße und eine schwarze Kugel ziehen müssen; wer die schwarze zieht, muss sich zurückziehen und sich erschießen. Der Jude zieht die schwarze Kugel, geht ins Nebenzimmer, man hört einen Schuss. Alles betet erschüttert, als sich die Türe wieder öffnet. Der Jude steht strahlend da und sagt: »Freut euch meines Glückes, ich habe mich nicht getroffen!«

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 3. Juli bis zum 10. Juli

 02.07.2025

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025