Sprachgeschichte(n)

Vom Zank zur Affäre

Geheime Zuneigung oder nur ein Techtelmechtel? Foto: Thinkstock

Sprachgeschichte(n)

Vom Zank zur Affäre

Wie das »Techtelmechtel« zum Synonym für Liebelei wurde

von Christoph Gutknecht  11.05.2015 14:20 Uhr

Das Magazin Aufbau schickte seinen Lesern vor einiger Zeit Werbekärtchen mit der Aufschrift: »Lust auf ein kleines Techtelmechtel mit der jüdischen Lebensart? Dann stecken Sie jetzt echt im Schlamassel!« In der Tat ist es schwierig, »Techtelmechtel« kurz zu erklären. Denn das Wort, dessen schriftliche Erwähnungen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen, hat von Wien über Süddeutschland bis Berlin eine weite semantische Reise hinter sich.

In Anton von Buchers Lob- und Trauerrede auf den Herrn Max von Panzel (1782) gab es »unter unsern Frauen allerlei Tächtlmächtl, Tritschtratschl, Zank und Hader«. Anton Kleins Deutsches Provinzialwörterbuch (1792) nannte »Dechtlmechtl« ein »geheimes Einverständnis, welches manchmal Leute miteinander haben«. Schmellers Bayerisches Wörterbuch (1827) definierte das Wort als »Wirrwarr« und »Schwätzerei«.

heimlich Karl Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon (1876) übernahm »Techt’lmecht’l« aus Franz Hügels Lexikon der Wiener Volkssprache (1873) als »Verabredung von zwei oder mehreren Personen über die Durchführung irgendeiner Handlung, auch ein auf gegenseitigen Vorteil berechnetes, andern nachteiliges Übereinkommen«. Für Samuel Hetzel (Wie der Deutsche spricht, 1896) galt »Tächtelmächtel« als heimliches Einverständnis oder unerlaubter Kunstgriff, für Hans Brendicke (Berliner Wortschatz, 1897) war es »Durchstecherei«. Erotische Bezüge? Fehlanzeige!

Und heute? Zwar meint es in Rheingegenden auch »Streitigkeit«, doch abgesehen davon steht es durchweg für geheime Zuneigung. Als synonym galten »Liebeshändel« (Goethe), später »Flirt« oder »Verhältnis«, selbiges laut Boudoir-Lectüre für die fashionable Welt (1843) des Abbé Colibri jedoch mit Nuancen: »In der Liebschaft liegt etwas Unverschleiertes, Offenkundiges, im Techtelmechtel etwas Geheimnisvolles, das noch niemand wissen darf.«

Nach Hans Jürgen Heringers Reizwörterbuch (2011) ist es leicht, »von der Verwendung für Verhältnis auf den Part des Verhältnisses zu übertragen, ganz wie beim Flirt die Person, mit der man flirtet, auch zum Flirt wird«. Schon im Deutschen Wörterbuch (1910) tauchte der »Dächtelmächtel« auf, »ein schwächlicher Mensch«.

hebräisch Im Beitrag »Was der Nazi nicht darf« mahnte Paul Elbogen 1932 in der Weltbühne, »dass auch Dialektworte aller Art nicht verwendet werden dürfen, da sie aus dem Hebräischen stammen« und schloss »Techtelmechtel« ein. Was fehlt, ist indes ein hebräischer Beleg. Enno Littmann (Morgenländische Wörter im Deutschen, 1919) erwog, ob – analog zu »Rebbe« und »Rabbi« – auch tächtel (ohne die el-Endung von Mauschel und Schicksel) auf tachtî (für »geheim«) rückführbar sei.

Doch das Adjektiv meint im Tanach »unter(halb), niedrig(er)«, weshalb wohl H.-A. Winkler in den Orientalischen Studien (1935) vorsichtig urteilte: »Manchmal ist ursprüngliche Form und Sinn des Vordergliedes nicht mehr erkennbar, doch ein solcher zu vermuten.«

Klaus Siewert bietet aus dem Münsterschen Rotwelsch eine sondersprachliche Spur. Gestützt auf Lexeme wie »Sautechtelmechtler« (Verräter) befindet er, das Lexem sei umgangssprachlich »wegen seines jüdischen Gepräges dem Nahbereich des Masematte-Wortschatzes zuzuordnen«.

Gemeint ist die Reduplikation, über die schon Littmann sagte, »dass Mächtel hier nur eine Wiederholung des vorhergehenden Wortes mit M als erstem Buchstaben ist, wie bei ›Schorlemorle, Kuddelmuddel‹. Zweifellos war und ist die Reimdoppelung im mündlichen Jiddisch beliebt, auch wenn »Techtelmechtel« in Wortverzeichnissen fehlt.

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