Archäologie

Volks-Eigentum

Ausgerollt: eine der Qumranschriften Foto: dpa

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Volks-Eigentum

Droht Israel nach der jüngsten UN-Resolution der Verlust der Qumran-Rollen?

von Lissy Kaufmann  16.01.2017 18:04 Uhr

Im Jahr 1947 spazierte ein Beduine mit seiner Schafherde durch die Berglandschaft am Toten Meer und stieß in einer Höhle auf ein paar Tongefäße mit Schriftrollen. Wahrscheinlich war dem Mann nicht klar, was er da vor sich hatte. Dass es aber wertvoll sein könnte, hat er wohl vermutet. Jedenfalls verkaufte er die Schriftrollen an zwei Antiquitätenhändler in Bethlehem.

Elieser Sukenik, Archäologieprofessor an der Hebräischen Universität, bekam davon Wind. Und nach einigen Anstrengungen und mithilfe seines Sohnes Jigal Jadin erwarb er diese sieben Rollen mit biblischen Texten und anderen altertümlichen religiösen Schriften, die als die Qumranschriften in die Geschichte eingingen – ein Jahrhundertfund. Heute werden sie im »Schrein des Buches« im Israel-Museum aufbewahrt.

Doch wie lange noch? Könnte Israel die Qumranschriften womöglich bald verlieren? Die Juristin Rhonda Spivak analysiert diese Frage in der israelischen Onlinezeitung »Times of Israel«: Die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates würde einen kulturellen Krieg gegen das jüdische Volk fördern, indem sie den Anspruch der Palästinenser auf die Schriftrollen vom Toten Meer unterstützt. Ihr Argument: Das Westjordanland wird in der Resolution als besetztes Gebiet bezeichnet. Die Höhlen, in denen die Dokumente entdeckt wurden, liegen im Westjordanland. Die Palästinenser könnten also – gestützt auf diese UN-Resolution – argumentieren, dass sie die rechtmäßigen Besitzer dieser Schriftrollen sind.

UNESCO Tatsächlich haben die Palästinenser es im vergangenen Jahr schon einmal versucht: Im November, kurz nach der UNESCO-Resolution, berichteten Medien, hätten die Palästinenser dieses Thema informell angesprochen, im Zwischenstaatlichen Komitee zur Förderung der Rückgabe von Kulturgütern in ihre Herkunftsländer oder ihre Restitution im Falle illegaler Aneignung (ICPRCP) innerhalb der UNESCO. Formale Schritte, so hieß es, seien nicht ausgeschlossen.

Unterstützt die neueste UN-Resolution nun also dieses Unterfangen? »Unsere Beziehungen zu den Palästinensern basieren nicht darauf, was die Vereinten Nationen sagen«, erklärt David Kornbluth, Anwalt für Internationales Recht und früherer UNESCO-Botschafter Israels. Er ist überzeugt, dass die Frage nach den Eigentümern der Kulturgüter Teil der Verhandlungen mit den Palästinensern sein muss.

»Das wurde bereits in den Oslo-Vereinbarungen festgehalten. Damals wurden Archäologiefragen ebenfalls angesprochen.« Genaue Abmachungen wurden seinerzeit noch nicht getroffen, aber es war klar, dass sie am Ende getroffen werden müssen.

Wenn es also je wieder zu Verhandlungen kommt, muss auch darüber entschieden werden, wohin Funde kommen. Kornbluth erinnert an den Friedensvertrag mit Ägypten. »Mit ziemlicher Verspätung hat Israel am Ende all das an Ägypten zurückgegeben, was bei Grabungen während der Besetzung des Sinai gefunden wurde. Und das hat nur deshalb so lange gedauert, weil die Archäologen die Funde noch ordnen und beschriften mussten. Sonst wäre es ja ein Verlust gewesen.«

Doch das hieße noch immer nicht automatisch, dass Israel die Schriftrollen und andere archäologische Funde an die Palästinenser abgeben müsste: Zum einen habe die israelische Seite durch Jigal Jadin einen Großteil der Rollen gekauft – nicht einfach nur an sich genommen, argumentiert Kornbluth. Hier, schreibt hingegen Rhonda Spivak, wäre allerdings zu erwarten, dass die Palästinenser dagegenhalten würden, der Beduine habe gar nicht das Recht gehabt, die gefundenen Rollen zu verkaufen.

Kulturrecht Doch Kornbluth weist darauf hin, dass noch ein anderer Faktor etwaige Verhandlungen über den Verbleib der archäologischen Funde beeinflussen könnte: »Es gibt einen Trend im internationalen Recht, der vom Kulturrecht beeinflusst wird. Dazu gibt es auch eine UN-Konvention, nämlich dass Kulturgüter an das Volk zurückgegeben werden, zu dem sie gehören.« So seien in den vergangenen 20 bis 30 Jahren schon einige Kulturobjekte an die entsprechenden Völker zurückgegeben worden, Italien habe Güter an Äthiopien restituiert, Dänemark an Grönland.

Und die Qumranschriften seien nun einmal ein altes Zeugnis jüdischer Geschichte – weswegen einige Experten es übrigens auch für verwunderlich halten, sollten die Palästinenser tatsächlich Besitzansprüche erheben, schließlich sind es Zeugnisse der jüdischen Geschichte im Westjordanland. »Es scheint mir nicht die Art von Kampagne zu sein, die die Palästinenser führen wollen«, sagt Avi Bell, Professor für Internationales Recht und Eigentumsrecht an der Bar-Ilan-Universität – der ebenfalls nicht davon ausgeht, dass die jüngste UN-Resolution irgendeinen Einfluss auf den Verbleib archäologischer Funde haben wird.

Sein Kollege David Kornbluth sieht in der möglichen Anmeldung von Besitzansprüchen ein politisches Kalkül: »Es geht darum, die andere Seite zu verärgern und den Prozess am Laufen zu halten. Ein Problem ist das aber nicht.«

Bleibt noch die Frage, ob andere Länder eine solche Entscheidung für die beiden Konfliktparteien treffen können. So schreibt Rhonda Spivak, die UN-Resolution verringere die Wahrscheinlichkeit, dass Israel die Rollen für Ausstellungen in anderen Museen außer Landes lasse – aus der Befürchtung, diese könnten die Rollen den Palästinensern übergeben. Ausstellungsorte liegen aber, erwidert Avi Bell, meist in Europa. »Und dass ein europäisches Gericht Israel die Schriftrollen entzieht, ist mit Blick auf die Vergangenheit, als jüdische Werke geraubt wurden, nur schwer vorstellbar.«

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