Jüdisches Museum Berlin

»Vermittler und Punchingball«

Historiker und CDU-Politiker Christoph Stölzl Foto: dpa

Jüdisches Museum Berlin

»Vermittler und Punchingball«

Christoph Stölzl über seine neue Aufgabe als Mediator und die Nachfolge von Peter Schäfer

von Maria Ossowski  04.07.2019 07:11 Uhr

Herr Stölzl, das Jüdische Museum Berlin stand massiv in der Kritik. Der Direktor Peter Schäfer hat das Haus nun verlassen. Was ist Ihre Aufgabe als neu eingesetzte Vertrauensperson des Museums?
Es ist zunächst mal eine Aufgabe, bei der ich mit jedem reden darf. Sie hat den einzigen Zweck, Frieden herzustellen und Ruhe zu gewinnen für die Phase, die nun notwendig ist: die Suche nach einem neuen Direktor.

Welche Funktion sollte das Jüdische Museum Berlin Ihrer Ansicht nach erfüllen?
Das Museum ist gegründet worden als ein Ort der Erinnerung an das deutschsprachige Judentum. Bei der Gründung wurde aber auch ausdrücklich festgelegt, die Themen Migration, Diversity, Miteinander der Kulturen, Minderheiten und Mehrheitenfragen mit aufzunehmen. Ich glaube, daher kommt im Moment das Problem, dass es nicht ein rein antiquarisches, rückwärts blickendes Museum ist, sondern dass es auch ein Forum sein möchte. Das alles ist viel! Es wäre ein Wunder, wenn es da nicht manchmal krachen würde.

Als Chef des Deutschen Historischen Museums hatten Sie das Konzept »Aufklärung und Verständigung«. Wollen Sie das auch im Jüdischen Museum umsetzen?
Ja, das ist meine goldene Regel. Nicht: Hier ist unsere Mission, jetzt geht ihr gelehrter hinaus, sondern gelebter Diskurs. Ich entscheide aber nicht. Ich bin eine Art Parlamentär mit der weißen Fahne oder ein Punchingball, Gesprächstherapeut oder Mittler.

Wie politisch sollte das Museum sein?
Politisch sind alle Kulturgeschichtsmuseen. Man muss der Welt aber auch klar machen, dass dieses Museum weder eine Filiale der Bundeszentrale für politische Bildung ist noch ein Sprachrohr der Bundesregierung. Ein unabhängiges, autonomes Kulturinstitut spricht für sich selbst. Hauptaufgabe aber ist: die gigantische, gewaltige Kulturleistung des Judentums in Europa zu zeigen.

Wie sollte das Museum mit dem Nahostkonflikt umgehen?
Man kann ihn nicht wegdenken aus dem Jüdischen Museum, aber der Nahostkonflikt kann nicht die Hauptsache sein. Es gibt viele Foren bei uns. Und klar ist auch: Israel ist für uns auch eine Herzenssymbolik. Das muss mitgedacht werden. Israels Kultur und Positionen zu erläutern, das muss mit höchstem Feingefühl geschehen.

Ist am Museum angesichts der ganzen Debatten um die Ausrichtung generell nicht mehr Sensibilität notwendig?
Ja, wir müssen uns der politischen Verpflichtung gegenüber Israel immer bewusst sein.

Sollte der nächste Direktor jüdisch sein?
Arbeitsrechtlich kann man das nicht in die Annonce hineinschreiben. Es gibt aber viele großartige jüdische Museumsleute, tolle Ausstellungsmacher, die aufs Innigste vertraut sind mit dem Judentum. Kurz: Die Frage wird sich ganz von alleine lösen.

Mit der Vertrauensperson des Jüdischen Museums Berlin sprach Maria Ossowski.

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025