Wissenschaft

Unzugängliche Erinnerungslandschaften

Bei der Preisverleihung: Jörg Platiel, Vorsitzender des bayerischen Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der Historiker Otto Dov Kulka und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (v.l.) Foto: Kerstin Dahnert

Der israelische Historiker und emeritierte Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem, Otto Dov Kulka, ist am Montagabend in der Großen Aula der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität für sein Buch Landschaften der Metropole des Todes. Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2013 geehrt worden.

Otto Dov Kulka wurde 1933 in der Tschechoslowakei geboren und überlebte als Jugendlicher das Konzentrationslager Auschwitz. Seit 1949 wohnt er in Israel und erforschte als Historiker ein Leben lang die Verbrechen der Nationalsozialisten.

rückschau In der Begründung der Jury heißt es: »Nun, im Alter von 80 Jahren, hat Kulka das erschütternde Buch Landschaften der Metropole des Todes veröffentlicht, in dem er seinen Erinnerungen an Auschwitz nachgeht, zugleich aber klarstellt, dass eine zusammenhängende Rückschau auf seine Erfahrungen im Konzentrationslager für ihn nicht möglich ist. Kulka betrachtet wie von außen seine Kindheitstage in Auschwitz, ruft Szenen ab, fragt nach deren Bedeutung, legt sich aber nicht fest auf eine Deutung, sondern umkreist, hinterfragt seine eigenen Bilder und Analysen.«

Jörg Platiel vom bayerischen Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der zusammen mit der Stadt München den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis vergibt, sagte bei dem Festakt: »So absurd das klingen mag, Otto Dov Kulkas Erinnerungsbuch zu den Todeslandschaften von Auschwitz ist ein Glücksfall.«

laudatio Die Historikerin Susanne Heim machte in ihrer Laudatio auf die letztliche Unzugänglichkeit von Kulkas Erinnerungen an die Schoa für den Leser aufmerksam. »Wir werden seine Landschaften nicht betreten«, sagte Heim.

Kulka erinnerte in seiner Dankesrede daran, wie er als einer der ersten israelischen Historiker in den 60er-Jahren nach Deutschland gegangen sei, um gemeinsam mit jungen deutschen Geschichtswissenschaftlern zu forschen. »Sie können fragen: Wo war Auschwitz zu jener Zeit? Es war anwesend«, sagt Kulka. In seinen Tagebüchern, Träumen und Tonbandaufnahmen.

Lesen Sie mehr in unserer Printausgabe am Donnerstag.

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025