Kosmologie

Team Erde

Grafische Darstellung des interstellaren Objekts »Oumuamua« Foto: dpa

Wenn ein Wissenschaftler ein interstellares Objekt als möglicherweise getarntes Alien-Raumschiff bezeichnet, dann klingt das schon ein wenig verrückt. Wenn er dann noch an die Existenz von außerirdischen Lebewesen glaubt, beziehungsweise sie nicht ausschließt, klingt das noch ein bisschen verrückter – auch dann, wenn er der Vorsitzende des Fachbereichs Astronomie der Harvard University ist.

Avi Loeb ist aber nicht verrückt, und was andere über ihn denken, ist ihm herzlich egal. Das interstellare Objekt »Oumuamua«, das im Oktober 2017 per Teleskop in unserem Sonnensystem entdeckt wurde, bewegt sich nämlich mit einer besonderen Beschleunigung fort, für die es derzeit keine wissenschaftliche Erklärung gibt. Es könnte also sein, dass es von Außerirdischen bewusst in die Nähe der Erde geschickt wurde, um mal zu schauen, was hier so los ist, meint Loeb.

Für die Beschleunigung von »Oumuamua« gibt es keine wissenschaftliche Erklärung.

Und wenn er erklärt, wie er das meint, wird gleich vieles klarer: Loeb glaubt, dass wir heutige Menschen manches womöglich noch gar nicht erkennen können, weil wir noch nicht im Besitz der entsprechenden Technologie sind. Er gibt dazu ein einfaches Beispiel: »Wenn wir einem Steinzeitmenschen ein Smartphone zeigen könnten, würde er diesen Gegenstand natürlich nicht als ein Mobiltelefon identifizieren können, weil so etwas in seiner Welt nicht existierte. Er würde es vielmehr wohl für einen seltsam geformten, ungewöhnlichen Stein halten, von Gott gegebene Magie.« So ähnlich könnte es eben auch sein, wenn Menschen in der Jetztzeit mit Alien-Technik konfrontiert würden.

Vielleicht stimmt, was Loeb über Oumuamua zu denken anregte, vielleicht stimmt es aber auch nicht. Genau werden wir es nie erfahren, denn das Objekt entfernte sich schon wieder von der Erde, als die Wissenschaftler in Hawaii es entdeckten. »Meinen Aufsatz darüber habe ich verfasst, um die Wissenschaftsgemeinde aufzurütteln, damit sie beim nächsten Besuch genauer hinschaut«, sagt Loeb.

TRAKTOR Avi Loeb wurde 1962 in dem vor 90 Jahren gegründeten Moschaw Beit Hanan geboren, in dem heute 575 Menschen leben. Schon als Kind las er gern. Heute erzählt er, wie er als Junge jedes Wochenende einen Traktor mit Büchern belud und dann auf die Felder fuhr, um zu schmökern. Er sei immer schon an Philosophie interessiert gewesen, erinnert er sich. Fasziniert von den Werken Sartres und Camus’, habe er davon geträumt, ihnen eines Tages nachzueifern. Und vielleicht hat das auch dazu geführt, dass er schließlich Physik studierte. »Es ist sehr schwierig für einen Philosophen, die großen, essenziellen Fragen über das Leben zu beantworten – aber mithilfe der Physik kann man dabei Fortschritte machen.«

Mit gerade einmal 18 Jahren gehörte Loeb zu den ersten Talenten, die für das 1979 gegründete Talpiot-Programm der israelischen Streitkräfte ausgewählt wurden, mit dessen Hilfe hochbegabte junge Menschen gefördert werden sollten. Während er alle Militäreinheiten durchlief, machte er seinen Bachelor-Abschluss in Mathematik und Physik. »In dieser Zeit bin ich Fallschirm gesprungen, Panzer gefahren und so weiter und so fort – die Teilnehmer des Programms sollen schließlich genau wissen, was in der Armee so alles passiert, bevor sie dann Geräte für sie entwickeln.«

Während er alle Militäreinheiten durchlief, machte er seinen Bachelor‐Abschluss in Mathematik und Physik.

Der heutige Star-Wissenschaftler entschied sich dann allerdings für ein anderes Leben – obwohl er zum Offizier befördert worden war, wollte er die restlichen fünf Jahre seiner Talpiot-Zeit lieber am Kernforschungszentrum Sorek verbringen.

Mit 24 Jahren machte er an der Hebräischen Universität in Jerusalem seinen Doktor in Plasmaphysik und ging anschließend nach Princeton, wo er im Bereich der theoretischen Astrophysik arbeitete. 1993 wechselte er als Assistenzprofessor an die Fakultät für Astronomie in Harvard.

AUSWEICHPLANET Loebs Eltern leben immer noch in Beit Hanan. Und genau dort erreichte ihn vor einigen Jahren ein Anruf, der ihn sofort elektrisierte. Am anderen Ende der Leitung war Yuri Milner, Venture Capitalist, Physiker und Philan-throp, der ihn um seine Expertenmeinung bat. »Und dann saß ich also um sechs Uhr morgens da, arbeitete an meiner Präsentation, schaute auf die Ziegenbabys, die am Tag zuvor geboren worden waren, und stellte den ersten realistischen Plan zusammen, wie man ein Raumschiff zum nächstgelegenen Stern schicken könnte«, schildert Loeb.

Eine Woche später war seine Powerpoint-Präsentation fertig. Loeb zeigte darin auf, dass es theoretisch nicht nur möglich sei, außerirdisches Leben zu finden, sondern auch einen Planeten, der für Besiedelung durch Menschen geeignet sein könnte. Das sei schließlich eine ganz wichtige Sache, findet er, denn irgendwann werde die Erde in einem Feuerball explodieren, und bis dahin müsse ein Ausweichplanet für die Menschheit gefunden werden.

»Ich werde dafür bezahlt, über den Himmel nachzudenken«, sagt Loeb gern. Und er findet nicht, dass dies wissenschaftlicher Luxus ist. Das Universum sei schließlich die größte Umgebung der Erde, »und wir sollten uns darüber informieren, um eine korrekte Perspektive unseres täglichen Lebens zu erhalten«.

Und so hat der Physiker auch einen ganz besonderen Blick auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. »Menschen kämpfen um Territorien, aber das ändert sich vielleicht, wenn eines Tages etwas Externes wie ein Asteroid die Erde bedroht«, glaubt er.

BRAINDRAIN »Eine Gefahr von außerhalb, wie sie auch die Entdeckung einer extraterrestrischen Zivilisation sein könnte, würde vermutlich dazu führen, dass wir Menschen uns plötzlich alle als Mitglieder eines Teams fühlen.« Bis es so weit ist, müsse man aber realistisch bleiben und erkennen, dass die derzeitige Gefahr von Ländern wie dem Iran ausgehe. »Deswegen ist es auch so wichtig, dass Israel seine technische Überlegenheit jederzeit aufrechterhält, denn wir können es nicht riskieren, in einem großen Krieg geschlagen zu werden.«

Dazu sei es notwendig, dass Israel den sogenannten Braindrain, das Abwandern von Wissenschaftlern in die USA und andere westliche Länder, aufhält. »Israel produziert außergewöhnliche Talente; Programme wie Talpiot helfen dabei, sie zu entwickeln und zu ermutigen. Physik und Technik sind wichtig für die nationale Sicherheit, und deswegen sollte es auch eine nationale Priorität sein, sie im Land zu halten.«

Solange Aliens die Erde nicht bedrohen, solle Israel sich gegen den Iran wappnen, meint Loeb.

Loeb verbringt deswegen einige Wochen im Jahr in Israel, wo er am Weizman-Institut, an der Hebräischen Universität Jerusalem und an der Universität von Tel Aviv Vorlesungen hält. Mit seiner Frau, der Politologin Ofrit Liviatan, und den beiden Töchtern lebt er eigentlich in Boston.

Autoschlüssel Die Loeb’sche Leidenschaft für Aliens sieht die Familie anscheinend gelassen. »Meine Frau scherzt immer darüber, was sie tun würde, wenn eines Tages Außerirdische in unserem Garten landen und mich mitnehmen würden. Sie würde in diesem Fall dafür sorgen, dass ich die Autoschlüssel nicht dabei habe. Und unseren Rasen dürften die Aliens auch nicht ruinieren.«

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025