Fernsehkritik

Talkshow als Weltgericht

Hier spricht sich Deutschland aus Foto: dpa

Gerichtsshows im Nachmittags-TV verdanken ihren Erfolg der Tatsache, dass dort komplexe juristische Probleme auf ein Niveau heruntergebrochen werden, dem noch der Dümmste folgen kann. Mit dem Ergebnis, dass, wie (echte) Juristen beklagen, dank Barbara Salesch und Alexander Holdt sich inzwischen Leute, die nicht einmal ihren Aldi-Einkaufszettel richtig schreiben können, für Experten im Straf-, Zivil- und Prozessverfahrensrecht halten.

staatsanwalt precht Elemente einer Gerichtsshow hatte vergangenen Sonntagabend auch die ARD-Talkrunde von Anne Will. Statt Maschendrahtzaun wurde hier jedoch die Frage verhandelt, ob die Tötung bin Ladens rechtens gewesen war. Den Part des Staatsanwalts spielte dabei Richard David Precht. Der populärphilosophische Bestsellerautor, der mit seiner Haarpracht und dem weit aufgeknöpften Hemd sonst den deutschen Bernard-Henri Lévy gibt, warf mit völkerrechtlichen Begrifflichkeiten um sich, die tags drauf wahrscheinlich in so mancher Sozialkundestunde pädagogisch wiedergekäut wurden.

Herta Däubler-Gmelin, als frühere Bundesjustizministerin mit unangreifbarer juristischer Autorität ausgestattet, war die Barbara Salesch des Abends. Man hätte bin Laden nicht erschießen dürfen, erklärte sie kategorisch, sondern ihn vor Gericht stellen müssen, so wie die Israelis es mit Adolf Eichmann gemacht hatten. Applaus des Publikums.

verteidiger kornblum Keine Bestbesetzung waren leider Michael Wolffsohn und John Kornblum als Verteidiger. Weder der Münchener Historiker noch der ehemalige US-Botschafter nutzten die Chance, die offensichtlichen Argumentationsmängel von Precht und Däubler-Gmelin aufzugreifen. Denn, nehmen wir mal an, die Navy Seals hätten den Al-Qaida-Führer tatsächlich festgenommen und ausgeflogen, statt ihn zu liquidieren. Völkerrechtlich koscher wäre das auch nicht gewesen. Schließlich war das US-Kommando ohne Erlaubnis der pakistanischen Regierung in deren Hoheitsgebiet eingedrungen. Unzulässig wäre es zudem gewesen, bin Laden eigenmächtig nach Amerika zu bringen. Entführungen aus fremdem Territorium sind grundsätzlich illegal. Als vor 50 Jahren die Israelis Eichmann aus seinem argentinischen Exil wegholten, wurde ihnen just das vorgeworfen, nicht zuletzt aus Deutschland. Um bei Anne Will freigesprochen zu werden, hätten die USA ein ordnungsgemäßes Rechtshilfeersuchen an Pakistan zwecks Festnahme und Auslieferung bin Ladens stellen müssen. Der wäre dann zwar weg gewesen, aber die Amerikaner müssten sich jetzt nicht dem Vorwurf aussetzen, moralisch und juristisch auf praktisch einer Stufe mit Terroristen zu stehen.Ein Urteil, das für die meisten Zuschauer allerdings wohl schon vorher feststand.

Hier lag der dramaturgische Mangel der Sendung. In Gerichtsshows werden ab der zweiten Hälfte unerwartete Wendungen eingebaut, damit das Urteil am Ende überraschend ausfällt. In dieser Talkrunde war das Ergebnis von Anfang an absehbar. Vielleicht sollte Anne Will bei Barbara Salesch in die Lehre gehen.

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