Chanson

Stimme des Maghreb

Meister des Chansons: Enrico Macias wird 80. Foto: imago/PanoramiC

Der Chanson-Sänger Enrico Macias, der am 11. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert, zählt bis heute zu den wichtigsten Musikern Frankreichs. Er hat in den fast sechs Jahrzehnten seiner Karriere rund 50 Alben veröffentlicht, das letzte, Les Clefs, erschien vor drei Jahren.

Macias, mit bürgerlichem Namen Gaston Ghrenassia, wurde im algerischen Constantine geboren, das damals mit seinen knapp 20.000 Juden eine der größten jüdischen Gemeinden in Nordafrika beherbergte. Sein Vater Sylvain war Berufsmusiker, der sich der traditionellen algerischen Mal’uf-Musik verschrieben hatte und Teil des bekannten Orchesters von Cheikh Raymond war. Macias erlernte schon als Kind Gitarre.

ALGERIEN Während des französisch-algerischen Kriegs verließ Macias 1961 als 23-Jähriger wie die meisten Juden sein Heimatland, nachdem sein musikalischer Lehrer und Schwiegervater Cheikh Raymond von der Nationalen Befreiungsfront (FLN) brutal ermordet worden war. Er ging mit seiner Frau Suzy nach Frankreich und kann wegen seiner offen bekundeten Solidarität mit Israel bis heute nicht in seine Heimat zurückkehren.

In Frankreich wurde er zur gefeierten Stimme der aus Algerien geflohenen Franzosen.

In Frankreich nahm er den Künstlernamen Enrico Macias an und wurde zur gefeierten Stimme der aus Algerien geflohenen Franzosen, der »Pieds-Noirs«. In vielen seiner Lieder gab Macias dem Heimweh dieser Menschen musikalischen Ausdruck. Was Macias in der Geschichte des Chansons eine besondere Stellung verleiht, ist sein Stil, der sich aus einer Mischung nordafrikanischer, sefardischer und klassischer Chansonmelodien ergibt. Nicht zuletzt dadurch wurde er zu einem wichtigen kulturellen Brückenbauer zwischen dem Maghreb und Frankreich.

Sein Stil ist eine Mischung nordafrikanischer, sefardischer und klassischer Chansonmelodien.

MANIFEST Auch Israel war für Macias stets ein wichtiger Bezugspunkt. Er sprach immer wieder davon, Alija zu machen. Nicht zuletzt die Zunahme des Antisemitismus in Frankreich bereitet ihm große Sorgen. Im April dieses Jahres zählte er zu den Unterzeichnern des Manifests gegen einen neuen Antisemitismus, das von Hunderten Personen des öffentlichen Lebens wie dem ehemaligen Premierminister Manuel Valls, Charles Aznavour oder Gérard Depardieu unterstützt wurde.

Doch in den vergangenen Jahren wurde es zunehmend ruhiger um Macias, was auch mit persönlichen Schicksalsschlägen zu tun hatte. 2008 starb seine Frau Suzy, mit der er über 50 Jahre verheiratet war. Auch zu seinem 80. Geburtstag wird Macias nicht nach Algerien zurückkehren dürfen. Aber seine Musik lebt und wird von vielen Menschen in Nordafrika geschätzt. Seinen Geburtstag wird der Vollblutmusiker Macias standesgemäß mit einem großen Konzert in Los Angeles begehen.

Medien

Künftig weniger Folgen von »Hart aber fair«

Bei der Talkshow kehrt weiterhin keine Ruhe ein. Die ARD will die Sendung seltener ausstrahlen. Gastgeber Louis Klamroth soll stattdessen neue Formate für die Mediathek entwickeln

von Christof Bock  10.10.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  10.10.2024

Berlin

Neues Schiedsgericht soll Verfahren für Rückgabe von Nazi-Raubgut verbessern

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände haben sich auf eine neue Instanz im Verfahren zur Rückgabe von NS-Raubgut geeinigt. Zentral ist dabei die »einseitige Anrufbarkeit«. Was steckt dahinter?

von Ann-Marie Utz  10.10.2024

Porträt

Nobelpreis für Literatur: Dieser jüdische Schriftsteller gilt als großer Favorit

Eine Prognose von Maria Ossowski

von Maria Ossowski  10.10.2024 Aktualisiert

Kolumne

Sicherheit, was für ein absurdes Konzept!

Warum ich in diesen »schrecklichen Tagen« zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur an Anemonen denke

von Laura Cazés  09.10.2024

Geschichte

Aufstand der Verzweifelten

Am 7. Oktober 1944 erhob sich das Sonderkommando im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gegen die SS

von Stephan Lehnstaedt  09.10.2024

7. Oktober

Schwerer Abend mit Friedman und Habeck

Ein »harter« Moderator und ein zerknirschter Politiker diskutieren über Antisemitismus

von Ayala Goldmann  09.10.2024 Aktualisiert

Interview

»Lasst uns zusammenkommen und reden«

Babak Shafian über Solidarität, Krieg, Juden im Iran und erfolgreiche Tourneen

von Christine Schmitt  08.10.2024

Buch

Ein fiktiver Dialog über Glaube und Versöhnung

Bischof Wilmer begegnet der ermordeten Jüdin Etty Hillesum

von Michael Althaus  08.10.2024