Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

Der Berlinale-Bär ist während einer Pressekonferenz am Mikrofon befestigt. Im Hintergrund ist das Auge des stilisierten Bären zusehen. Die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin finden vom 15. bis 25.02.2024 statt. Foto: picture alliance/dpa

Die Berlinale hat sich zum jüngsten Vorfall geäußert, bei dem der Regisseur Jun Li bei der Vorführung seines Films »Queerpanorama« einen Brief des Schauspielers Erfan Shekarriz vorgelesen hat, in dem unter anderem zur Vernichtung Israels aufgerufen wird. »Wir haben viel Zeit damit verbracht, mit allen Filmemacherinnen und Gästen über die Notwendigkeit einer sensiblen und nicht-diskriminierenden Sprache auf der Berlinale zu sprechen«, hieß es in einer Erklärung der Festival-Leitung.

»Wir haben sehr deutlich vermittelt, wo die Grenzen liegen, und sind daher enttäuscht, wenn einzelne Filmemacherinnen dem Festival und auch den Menschen im Saal gegenüber mangelnde Sorgfalt und Respekt zeigen«, so das Festival. Die Berlinale wende sich klar gegen Antisemitismus und jede andere Form der Diskriminierung.

»Wir verstehen die Sensibilität und den Schmerz, den so viele Menschen in diesen Tagen erleben, und wissen, wie wichtig es ist, Raum zu haben, um dies zum Ausdruck zu bringen. Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten aber in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, erklärte die Berlinale auf Anfrage.

»Team hat Situation deeskaliert«

Am Samstag hatte der Regisseur Jun Li vor Publikum einen Brief des Schauspielers Erfan Shekarriz verlesen, der neben Verschwörungsmythen haltlose Beschuldigungen und einen Aufruf zur Vernichtung Israels enthielt. »Während Sie diesen Film sehen, ersticken Millionen von Palästinensern unter dem brutalen, vom Westen finanzierten, Siedlerkolonialismus Israels«, hatte es darin geheißen.

Die Bundesregierung wurde vom Autor des Schreibens bezichtigt, Apartheid und Genozid zu unterstützen. Die verbotene Terror-Parole »From the river to the sea, Palestine will be free« wurde gerufen.

Das Team habe die Situation vor Ort deeskaliert, den Schmerz, der bei Menschen im Saal entstanden ist, anerkannt und seine Haltung gegen Antisemitismus und jede andere Form der Diskriminierung klar angesprochen, hieß es in der Erklärung des Festivals. »Wir hoffen, dass dieser Einzelfall nicht die bislang großartige 75. Berlinale überschatten wird, in die das gesamte Team so viel gute Arbeit und so viel Empathie gesteckt hat.«

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Auch äußerte sich die Berlinale direkt zum Inhalt des vorgelesenen Briefes: Die verwendete Sprache sei »in Deutschland« sehr aufrührerisch und habe eine Formulierung enthalten, die von Berliner Gerichten als strafbar eingestuft worden sei. Gemeint ist die Parole »From the river to the sea, Palestine will be free«, mit der zur Vernichtung Israels aufgerufen wird.

In der Erklärung wurde jedoch versichert: »Es handelte sich um eine Ausdrucksweise, die das Festival zuvor für alle Besucherinnen als äußerst sensibel gekennzeichnet hatte.« Im Publikum seien Menschen gewesen, die sich durch diese Rede verletzt gefühlt hätten und verärgert gewesen seien. Der Berlinale-Moderator habe die Situation aber deeskaliert »und die Gefühle im Saal anerkannt«.

»Gegen Hassrede und Antisemitismus«

»Er hielt sich an unser Protokoll und machte auch explizit deutlich, dass die Berlinale gegen Hassrede und Antisemitismus einsteht. Die Veranstaltung wurde mit einem friedlichen Q&A über den Film selbst fortgesetzt, das nichts mit der politischen Rede zu tun hatte.«

Das Filmfestival beschwerte sich in der Erklärung darüber, dass ein Video des Antisemitismus-Vorfalls, das in sozialen Medien kursierte, die Reaktion des Berlinale-Teams nicht enthalte.

Mit den Ermittlungen, die der Polizeiliche Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamts inzwischen aufnahm, will die Berlinale »selbstverständlich kooperieren«.

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