»Alles auf Hochzeit«

Sex and the Chuppa

Masel Tov! Oder vielleicht doch lieber Oj Vej? Foto: thinkstock

Bea ist verzweifelt. Eigentlich sollte sie in wenigen Minuten heiraten, nun allerdings erleidet sie, bereits in voller Brautmontur, einen kleinen Nervenzusammenbruch. »Fuck«, ruft sie, »verdammte Scheiße«, schiebt sie hinterher. Während die Hochzeitsgesellschaft nur ein paar Meter weiter der Zeremonie entgegenfiebert, registriert die Braut erneut, dass Heiraten eigentlich gar nicht ihr Ding ist.

romanbrautSo der Stand, bevor die Freiburger Autorin Hanna Donath in ihrem zweiten Roman erst richtig loslegt. Doch Alles auf Hochzeit will nicht in erster Linie eines der unzähligen Frauenbücher mit integrierter Herzschmerzgarantie sein. Bea ist die Hauptfigur einer »romantischen jüdischen Beziehungskomödie«. Und damit, möchte man hoffen, spielt sie in einer ganz anderen Liga als all die zahllosen handelsüblichen Romanbräute, die sich trauen oder es vielleicht doch sein lassen. Zumal dem Leser bereits im Vorfeld eine große jüdische Hochzeit, original jiddische Mamme inklusive, versprochen wird.

Dabei ist Bea eigentlich gar nicht der Typ für feste Bindungen. Denn nachdem sie – die erfahrene »Brigitte«-Leserin ahnt es bereits – einst von ihrer großen Liebe enttäuscht wurde, reicht es schlicht nicht mehr für Beziehungen, die über den Rand diverser Betten hinausgehen. Nun soll dennoch geheiratet werden. Alles auf Hochzeit zeichnet dabei nicht nur die letzten 24 Stunden vor der Trauung nach, sondern erklärt durch Rückblenden auch, wie es zu diesem Sinneswandel kam.

Und so erfahren wir viel über Bea und ihre Männer: den einen zum Spaßhaben, den nächsten fürs Herz, und denjenigen, der es ihr einst gebrochen hat. Woher soll frau da schon wissen, wer der Richtige ist? Wozu überhaupt heiraten? Und was ist das eigentlich, diese Liebe? Fragen, deren Antworten im Laufe des Romans verhandelt werden. »Du musst jemanden finden, der dein Leben verändert, nicht deinen Beziehungsstatus«, ist dabei eine Weisheit, die zwischendurch fällt und ungefähr die Sprengkraft eines Chinaböllers entfaltet.

erektionsstörungen Welches von Beas vielen Männchen letztlich zum Bräutigam befördert wird, offenbart sich erst zum Schluss des Buchs. Um den Leser bis dahin weiterführend zu unterhalten, wartet der Roman mit einem zusätzlichen brandheißen Thema auf: Sex. Da wäre etwa die hochschwangere Trauzeugin (und zugleich Erzählerin des Romans), die den Leser nicht nur fortlaufend mit der überraschenden Erkenntnis konfrontiert, dass sie sich zum Platzen fühlt.

Nebenbei hätte sie auch noch gerne Sex. Nur fehlt ihr eben der passende Mann. Ein ähnliches Schicksal erleidet Trauzeugin Nummer zwei, die zwar einen Mann, aber aufgrund von dessen Erektionsstörungen trotzdem keinen Sex hat. Ganz im Gegensatz zu den restlichen Hauptfiguren, die Sex wahlweise immer, nur manchmal oder mit dem Falschen haben. Womit sie sich wiederum dramatisch von den Nebendarstellern unterscheiden, die – man möchte es gar nicht ahnen – über nichts Geringeres als Sex reden.

War sonst noch was? Ach ja, genau: die Juden, die in einer »jüdischen Beziehungskomödie« natürlich nicht fehlen dürfen. Das tun sie bei Hanna Donath, die laut Verlag selbst aus einer »bunten, lauten jüdischen Familie« stammt, auch nicht. Die Braut ist jüdisch, damit ebenso ihre große Familie, und ja, sogar zwei ihrer Männer sind Juden. Aber ist ein Roman schon dann jüdisch, wenn ein Paar sich, statt an der Hotelbar zu Ostern, am Sederabend in der Synagoge kennenlernt, um danach vielleicht, na, Sie wissen schon?

Wenn das Hochzeitsbuffet mit nahezu koscheren Würstchen aufwartet und der Jude dem Nicht-Juden plakativ Tipps gibt, was im Umgang mit der Mischpoke zu beachten ist – ganz so, als wären Juden Aliens. Das Judentum in diesem Buch kommt als stereotypes Element daher. Der jüdische Hintergrund wirkt wie eine klischeebeladene und nach oberflächlichen Regeln (Juden sind ein bisschen anders und feiern nicht Weihnachten, sondern Chanukka) drapierte Kulisse, die den Figuren daher auch keine nennenswerte Tiefe zu verleihen vermag.

belanglos So bleibt Alles auf Hochzeit eine locker und flüssig erzählte Ansammlung von Belanglosigkeiten. Leserinnen von »Herzblatt« oder »Brigitte« und Fans von »Sex and the City« werden bei der Lektüre einen Mehrwert an Unterhaltung empfinden. Und wer damit nichts anfangen kann, dem bleibt noch das Glossar, das von C wie Chag Sameach bis S wie Seder ein kleines ABC des Judentums bietet. Und das ist ja auch was Schönes.

Hanna Donath: »Alles auf Hochzeit«. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2013, 248 S., 14,95 €

Berlin

Neue Nationalgalerie zeigt, wie Raubkunst erkannt wird

Von Salvador Dalí bis René Magritte: Die Neue Nationalgalerie zeigt 26 Werke von berühmten Surrealisten. Doch die Ausstellung hat einen weiteren Schwerpunkt

von Daniel Zander  17.10.2025

Theater

K. wie Kafka wie Kosky

Der Opernregisseur feiert den Schriftsteller auf Jiddisch – mit Musik und Gesang im Berliner Ensemble

von Christoph Schulte, Eva Lezzi  17.10.2025

Frankfurter Buchmesse

Schriftsteller auf dem Weg zum Frieden

Israelische Autoren lesen an einem Stand, der ziemlich versteckt wirkt – Eindrücke aus Halle 6.0

von Eugen El  17.10.2025

Kino

So beklemmend wie genial

Mit dem Film »Das Verschwinden des Josef Mengele« hat Kirill Serebrennikow ein Meisterwerk gedreht, das kaum zu ertragen ist

von Maria Ossowski  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Esther Abrami

Die Klassik-Influencerin

Das jüngste Album der Französin ist eine Hommage an 14 Komponistinnen – von Hildegard von Bingen bis Miley Cyrus

von Christine Schmitt  16.10.2025

Berlin

Jüdisches Museum zeichnet Amy Gutmann und Daniel Zajfman aus

Die Institution ehrt die frühere US-Botschafterin und den Physiker für Verdienste um Verständigung und Toleranz

 16.10.2025

Nachruf

Vom Hilfsarbeiter zum Bestseller-Autor

Der Tscheche Ivan Klima machte spät Karriere – und half während der sowjetischen Besatzung anderen oppositionellen Schriftstellern

von Kilian Kirchgeßner  16.10.2025

Kulturkolumne

Hoffnung ist das Ding mit Federn

Niemand weiß, was nach dem Ende des Krieges passieren wird. Aber wer hätte zu hoffen gewagt, dass in diesen Zeiten noch ein Tag mit einem Lächeln beginnen kann?

von Sophie Albers Ben Chamo  16.10.2025