Eine bekannte Unbekannte, die in Briefen und Erinnerungen ihrer Zeitgenossen präsent, doch bis zu ihrem Tod eine Autorin ohne Werk geblieben ist: Dorothea »Mopsa« Sternheim (1905–1954), Bühnenbildnerin und Schriftstellerin, erlitt das typische »Dichterkinder«-Schicksal. Als Tochter von Carl Sternheim, einem der meistgespielten Dramatiker Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg, und Thea Sternheim, Kunstsammlerin und einflussreiche Tagebuchschreiberin, blieb Mopsa ein Leben lang im Schatten ihrer Eltern.
Bereits in jungen Jahren verkehrte sie in Berlins Intellektuellen- und Künstlerkreisen. Gleichzeitig fand sie sich immer wieder am Abgrund, beging einen Suizidversuch und kämpfte gegen eine zerstörerische Drogensucht an, ausgelöst durch die Medikation nach einem Verkehrsunfall.
Im Exil im antifaschistischen Widerstand aktiv, wurde Sternheim in Paris durch die Gestapo aufgespürt. Es folgten Folter und 18 Monate Inhaftierung im KZ Ravensbrück. Als Überlebende der Hölle kehrte sie im Juni 1945 nach Frankreich zurück und teilte sich mit ihrer Mutter eine kleine Wohnung. Aus einem Urlaub 1946 in Italien schrieb sie an Thea Sternheim: »Ich denke immerzu an Ravensbrück, seit ich hier bin, und frage mich ängstlich, welchen Grad an Kontrasten das Leben mir noch zugedacht hat. Weil das fast unfassbar ist für ein selbes Gehirn.«
Lange Zeit galt der Roman als verschollen, bis die Notizen Jahrzehnte nach Sternheims Tod in einem Koffer entdeckt wurden.
Umso unermüdlicher und intensiver arbeitete Sternheim an einem autobiografischen Roman. Lange Zeit galt er als verschollen, bis die Notizen Jahrzehnte nach ihrem Tod in einem Koffer in der Landesbibliothek Oldenburg entdeckt wurden. Es ist dem Wallstein Verlag zu verdanken, dass Im Zeichen der Spinne erstmals erscheint – ediert, kommentiert und mit einem Nachwort versehen.
Am 11. September 1954 erlag Sternheim einer Krebserkrankung. Zuvor hatte sie verfügt, dass all ihre Briefe vernichtet werden sollten. Lediglich den Romanentwurf und die Tagebücher vertraute sie dem befreundeten Kunsthistoriker Gert Schiff an, der sich um eine Publikation bemühte. »Interessant, aber zu fragmentarisch«, urteilte 1955 der Rowohlt Verlag und lehnte ab – die noch junge Bundesrepublik war mit Verdrängen der NS-Geschichte beschäftigt.
Sternheim selbst hatte am 6. Mai 1942 in ihrem Tagebuch notiert: »Mein Buch ist zu konstruiert, zu gewusst. Und kitschig, pathetisch immer, oft solennel. Das ist mir egal.« Dass das literarische Schaffen jetzt ans Licht kommt, schenkt einer faszinierenden Frau posthum eine Stimme. Von nun an ist Mopsa Sternheim eine Autorin mit Werk.
Mopsa Sternheim: »Im Zeichen der Spinne«. Mit einem Nachwort von Rudolf Fietz und Gisela Niemöller. Wallstein, Göttingen 2025, 364 S., 24 €