Fernsehen

Remake nach israelischem Vorbild

Schauspielerin Helen Mirren Foto: imago images/POP-EYE

Eine offene Rechnung von 2011 ist das Remake des israelischen Spielfilms Ha-Hov (2007), der hierzulande unter dem Titel Der Preis der Vergeltung im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin geht um die Identifikation und Entführung eines NS-Täters, der sich in Ost-Berlin als Gynäkologe unter anderem Namen eine neue Identität aufgebaut hat.

Angelehnt an die Eichmann-Entführung, erzählt der Film eine heroische Geschichte, der unter der Hand der Heroismus ausgetrieben wird. Als »Spionagethriller«, wie ihn der deutsche Verleih beim Kinostart anpries, sollte man das Remake von John Madden (Shakespeare in Love) jedoch nicht bezeichnen, eher schon als den Nachzügler eines »Geheimdienst-Thrillers«.

mossad Nur sehr bedingt handelt es sich hierbei um Wissenstransfer auf der elementaren Ebene, sondern ganz handfest um die ausführliche, sehr geduldige Schilderung der Vorbereitungen zu einer Entführung während des Kalten Kriegs, deren Scheitern und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Und es geht um die Schuld, die den Handelnden, die zugleich traumatisierte Holocaust-Überlebende sind, daraus erwächst, dass sie sich dafür entscheiden, mit einer Lüge zu leben, um sich als Helden feiern zu lassen, was ihrer Nation als symbolisches Kapital zuwächst: der Mossad als Mythos. Nicht zuletzt erzählt der Film von der Schuld, die das Zielobjekt der Entführung in einem früheren Leben als »Chirurg von Birkenau« auf sich geladen hat.

Unzuverlässiges Erzählen also, in jeder Hinsicht. Seeing is believing, doch manchmal ändert ein erweitertes Blickfeld alles. Was alles geschehen kann, wenn ein Schauspieler-Regisseur wie John Madden mit einem hochkarätigen, sehr engagiert agierenden Ensemble einen Agentenfilm dreht: Die Action wird mal mehr, mal weniger ins psychologische Kammerspiel transferiert.

Der lange Zeit gesuchte KZ-Arzt Dieter Vogel soll ausgeforscht und entführt werden, um ihn in Israel vor ein Gericht zu stellen.

Mitte der 60er-Jahre bereiten drei Mossad-Agenten – zwei Männer und eine Frau – eine spektakuläre Aktion in Ost-Berlin vor. Der lange Zeit gesuchte KZ-Arzt Dieter Vogel soll ausgeforscht und entführt werden, um ihn in Israel vor ein Gericht zu stellen. Der Film betont das Professionelle und Handwerkliche dieser Konstellation, spielt mit der Dauer bestimmter Vorgänge, nutzt Montage und Figurenperspektiven, um Spannung zu erzeugen.

ethos Das mag man als altmodisch empfinden, doch der Film bezieht seine Spannung daraus, dass sich drei bestens ausgebildete Profis im Feindesland möglichst unauffällig einrichten müssen, um eine von langer Hand geplante Aktion erfolgreich umsetzen zu können. Tatsächlich ist es eine Frage des professionellen Ethos, dass hier nichts schiefläuft.

Die Aktion besteht aus drei Phasen, die alle ihre Zeit brauchen: ausspähen, entführen und nach Israel schaffen. Dummerweise mischt sich bereits in der ersten Phase das romantische Begehren störend ins Spiel. Eine unsichere junge Frau, Rachel, zwischen zwei Männern, David und Stefan, die beide auf sehr unterschiedliche Weise »out on a mission« sind. Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit sollte das Ziel sein, doch geht es sehr konkret auch um eine ganz persönliche Rache am Täter.

Der erste Teil des Plans geht perfekt auf; der zweite Teil scheitert an einer Abfolge von läppischen Zufällen und kleinen Unachtsamkeiten. Jetzt sitzt das Trio gemeinsam mit dem Monster in der Falle – wobei der dämonische NS-Verbrecher demonstriert, dass er, wenn nötig, noch immer recht subtil die menschliche Psyche zu manipulieren versteht.

schein Dass Vogel ausgerechnet in Ost-Berlin untergetaucht ist, wäre vor 1989 nicht durchgegangen. Überhaupt sieht die Stadt so kalt und heruntergekommen aus, dass man sich fast in Der Spion, der aus der Kälte kam wähnt. Schließlich landet der Film wieder am Anfang, doch nichts ist mehr so, wie es scheint. Genau dieser Schein aber ist politisch opportun und gewünscht.

Es dauert einige Jahrzehnte, bis sich überraschenderweise eine neue Chance auftut, die Dinge von 1965/66 zu richten. Im Vergleich zu postmodernen Glasperlenspielen wie 21 Gramm scheint die Verschränkung der Zeitebenen recht simpel, aber enorm effektiv – wenn man einmal davon abstrahiert, dass ein KZ-Arzt, der 1997 in der Ukraine in einem Heim für Demenzkranke untergetaucht ist, doch schon etwas hinfälliger agieren sollte, als es Jesper Christensen im Finale tut.

Schwerer wiegt, dass die 1965/66 spielende Geschichte ungleich interessanter und spannender ist als die des Jahres 1997. Allerdings ist die gegenwärtige Geschichte mit den weit bekannteren Darstellern besetzt, was psychologische Tiefe suggeriert, aber spätestens dann albern wird, wenn sich die Best-Agerin Helen Mirren in der Ukraine plötzlich in die Superagentin verwandelt, die sie im Verlauf des Films zuvor nie war.

»Eine offene Rechnung«, Freitag, 9. Juli, 22.25 bis 00.10 Uhr, 3sat

Essay

Herausforderung Trump

Warum eine Zusammenarbeit zwischen Europa und Israel jetzt das Gebot der Stunde ist

von Rafael Seligmann  24.03.2025

Hans Rosenthal

»Zunächst wurde er von den Deutschen verfolgt - dann bejubelt«

Er überlebte den Holocaust als versteckter Jude, als Quizmaster liebte ihn Deutschland: Hans Rosenthal. Seine Kinder sprechen über sein Vermächtnis und die Erinnerung an ihren Vater

von Katharina Zeckau  24.03.2025

Geschichte

Vor 80 Jahren schickte das NS-Regime KZ-Häftlinge auf Todesmärsche

In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs trieben die Deutschen viele KZ-Insassen auf Todesmärsche. Einer davon führte von Frankfurt nach Hünfeld

von Joachim Heinz  24.03.2025

"Jud Süß"

Der lange Schatten des schlimmsten Films der Geschichte

Vor 85 Jahren wurde »Jud Süß« gedreht. Es gibt einige Gründe, den Streifen als bösartigsten Film der Welt zu brandmarken. Das antisemitische Machwerk hat eine gewisse Aktualität

von Gregor Tholl  24.03.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. März bis zum 29. März

 24.03.2025

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  23.03.2025 Aktualisiert

Gert Rosenthal

»Mein Vater war sehr bodenständig«

Am 2. April wäre Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum würdigt ihn das ZDF. Ein Gespräch mit seinem Sohn Gert über öffentliche und private Seiten des Quizmasters

von Katrin Richter  24.03.2025 Aktualisiert

Porträt

»Das war spitze!«

Hans Rosenthal hat in einem Versteck in Berlin den Holocaust überlebt. Später war er einer der wichtigsten Entertainer Westdeutschlands. Zum 100. Geburtstag zeigt ein ZDF-Spielfilm seine beiden Leben

von Christof Bock  24.03.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

Blintzes mit Vanillequark

Rezepte und Leckeres

von Katrin Richter  23.03.2025