50. Jubiläum

Reisen und lernen

Seit 50 Jahren in Israel unterwegs Foto: bpb

»Natürlich begleitet uns immer wieder die bange Frage, ob uns die Sicherheitslage einen Strich durch unsere Planungen macht.« Waltraud Arenz weiß, wovon sie spricht. Seit mehr als 20 Jahren organisiert sie für die Bundeszentrale für politische Bildung Reisen nach Israel. »Das Herausragende und Ergreifende für mich sind auch nach so langer Zeit die Begegnungen mit Menschen, die uns an ihrer persönlichen Lebensgeschichte teilhaben lassen und mit Leidenschaft über Licht und Schatten ihres Landes sprechen«, sagt sie.

Handverlesen Begonnen hat alles 1963 – zwei Jahre vor der Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. Eine handverlesene Schar von etwa 30 Männern und Frauen machte sich damals auf die Reise, gerade einmal 18 Jahre nach dem Ende des Holocaust. Das Programm wurde ein Erfolg: 267 Israel-Reisen mit mehr als 7.300 Teilnehmern hat die Bundeszentrale bis Ende 2012 gezählt.

»Es ist wohl eine der besten Ideen, die die Bundeszentrale je entwickelt hat«, sagt Stephan J. Kramer, der lange vor seiner Zeit als Generalsekretär des Zentralrats der Juden selbst mit der Bundeszentrale nach Israel reiste.

Kramer, der nicht für besondere Rücksichtnahme gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung bekannt ist, erinnert sich etwa an eine Diskussionen mit Studenten der palästinensischen Birzeit-Universität bei Ramallah. »Im Gegensatz zu Angeboten so mancher politischer Stiftung ist das Reiseprogramm der Bundeszentrale so objektiv wie möglich.«

Waltraud Arenz betont als Verantwortliche für die Israel-Studienreisen ihre Unabhängigkeit. »Das Reiseprogramm wird ganz autonom erstellt, ohne jegliche Einflussnahme von israelischer oder deutscher Regierungsseite. Das ist uns wichtig.«

Durchgeplant Klar ist auch: Hier gibt es keine Erholungsreise auf Staatskosten. Das meist 14-tägige Programm richtet sich an sogenannte Multiplikatoren der politischen Bildung und »Meinungsführer«. Die Tage sind von morgens bis oft spät in die Nacht durchgeplant. Schließlich geht es darum, »die politische und kulturelle Vielfalt« des Landes kennenzulernen, wie es in den Zielsetzungen der Bundeszentrale heißt.

Dazu gehören Vorträge, Lesungen, Exkursionen, Begegnungen mit orthodoxen jüdischen Siedlern, linken Künstlern, Holocaust-Überlebenden und Angehörigen von Terror-Opfern, Diskussionen mit israelischen Militärs und palästinensischen Intellektuellen – und immer wieder das Zusammentreffen mit Menschen, die in dem Land etwas bewegen wollen: Wie etwa Lydia Eisenberg vom Versöhnungsprojekt Givat Haviva.

Die engagierte Journalistin führt ihre deutschen Reisegruppen gerne auch einmal zu einem schwer bewachten Checkpoint entlang der sogenannten Grünen Linie, die Israel vom Westjordanland trennt; um deutlich zu machen, dass sich etwas im Verhältnis zwischen Juden und Palästinensern ändern muss.
»Von meiner ersten Reise nach Israel damals bin ich mit gewaltigen Eindrücken zurückgekommen«, erinnert sich Klaus Kinkel.

Referent Bevor der FDP-Politiker später als Bundesaußenminister noch öfter nach Israel reiste, war er schon als junger Referent mit der Bundeszentrale in Israel unterwegs gewesen. Wenige Tage vor dem 80. Jahrestag der »Machtergreifung« Adolf Hitlers am 30. Januar betont Kinkel: »Ich halte diese Reisen auch heute noch für äußerst wichtig.« Gerade junge Menschen müssten wissen, was in der NS-Zeit passiert sei.

»Viele Reiseteilnehmer arbeiten in den Medien, bei Nichtregierungsorganisationen, Bildungseinrichtungen oder sind Kulturschaffende«, sagt Waltraud Arenz. »Sie sind Multiplikatoren, das heißt, sie geben das, was sie auf den Reisen erlebt und gelernt haben, an andere weiter.« Da könne es nur hilfreich sein, ein differenziertes Bild von Israel und dem Nahost-Konflikt zu vermitteln. »Dazu sind wir da.«

Ihr Chef Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ist dabei sicher, »dass die Nachfrage nach den Studienreisen weiter steigen wird. Heute gibt es keine Berührungsängste mehr zwischen den Kindern und Kindeskindern der Kriegs- und Holocaustgeneration.« So sind für dieses Jahr schon wieder mehrere Reisen geplant. Die nächste soll am 8. April starten. Vorausgesetzt, die Sicherheitslage macht keinen Strich durch die Rechnung.

www.bpb.de

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025