Internet

Per YouTube nach Auschwitz

Millionen Nutzer: YouTube-Webseite von Yad Vashem Foto: Yad Vashem

Internet

Per YouTube nach Auschwitz

Vertreter von Schoa-Gedenkstätten diskutieren die Möglichkeiten und Gefahren von Online-Angeboten

von Anina Valle Thiele  18.04.2011 16:09 Uhr

Skurrile Formen virtuellen Gedenkens sorgten vergangenes Jahr für Aufsehen. Das YouTube-Video »Dancing Auschwitz«, in dem ein Schoaüberlebender mit seinen Enkeln vor den Krematorien zu »I will survive« tanzt, wurde tausende Male angeklickt. Ein polnischer Historiker schuf bei Facebook das virtuelle Profil eines Jungen, der den Holocaust nicht überlebte, und erweckte ihn im Netz zu neuem Leben. Nachdem »Henio« über 5.000 Freunde auf seiner Facebook-Seite hatte, wurde sein Profil gelöscht.

Tabubruch oder Konsequenz unserer Lebensrealität, die sich immer mehr ins Web verlagert? Bergen digitale Formen des Gedenkens neue Chancen für jüngere Menschen, die viel Zeit im Internet verbringen, oder wird nur der Trivialisierung der NS-Verbrechen Vorschub geleistet, wenn man bei Facebook auf der Seite von Auschwitz »gefällt mir« anklicken kann?

chancen »Erinnerungskulturen online« lautete der Titel einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung, die vergangene Woche Vertreter von Gedenkstätten aus Europa, Israel und den USA versammelte. Nahezu einhellig wurden die Chancen virtueller Gedenkformen hervorgehoben, kritische Stimmen waren kaum zu vernehmen.

In erster Linie war es eine durchaus beeindruckende Präsentation verschiedener Online-Angebote. So bietet etwa das Anne-Frank-Haus in Amsterdam einen virtuellen Rundgang an. Über eine Zeitleiste kann man sich durch »das Hinterhaus online« klicken und Anne Franks Versteck erkunden – auch über Smartphone. Ita Amahorseija, Verantwortliche für den Online-Bereich, will ihr Haus umfassend bewerben: »Wir sollten auf möglichst vielen Plattformen präsent sein, um auch jene zu erreichen, die sich nicht für Anne Frank interessieren.«

»Wenn wir dieses Vakuum nicht füllen, wird es jemand anderes tun«, befand David Klevan im Hinblick auf Facebook. Sein United States Holocaust Memorial Museum kann schon jetzt sehr hohe Nutzerzahlen vorweisen – mehr als 40 Millionen Besucher aus über 100 Ländern im Jahr. Entsprechend euphorisch bewertete er die Möglichkeiten des Internets. Es erlaube, auf Spuren von Schicksalen zu stoßen, und Gedenkstätten mittels Handy-Apps zu erkunden. Dennoch ersetze die Webseite nicht den Besuch der Gedenkstätte, räumt Klevan ein.

Verwunderlich fand die Debatte um Web-Nutzung Na’ama Shik, Leiterin der Internet-Abteilung von Yad Vashem. In Israel werde das Medium längst genutzt. Der YouTube-Kanal der Gedenkstätte verzeichne bereits elf Millionen Nutzer, der Online-Auftritt sei in 20 Sprachen übersetzt, und das seit zehn Jahren über Online-Kurse bereitgestellte Archivmaterial werde von Lehrern sehr gut genutzt. Während die Gedenkstätte selbst etwa zwei Millionen Besucher im Jahr zähle, seien es auf der Webseite über zehn Millionen. Shik sprach sogar von einer moralischen Verpflichtung, die Archive online zu stellen.

vorsicht Zurückhaltender äußerte sich Ruth Oelze von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Das seit 2008 bestehende Video-Archiv mit Zeitzeugeninterviews sei Teil der Dauerausstellung. Jetzt alles online zu stellen, hält Oelze für zu früh. Auch Miriam Wenzel vom Jüdischen Museum Berlin ist eher vorsichtig. Aufgrund der vielen antisemitischen Zuschriften habe das Museum erst spät angefangen, sich in sozialen Netzwerken zu tummeln.

Das Web merkt sich zwar viel, aber nicht alles. Immer wieder verschwinden Informationen. Grund genug, danach zu fragen, ob ein Medium ohne Erinnerung überhaupt der richtige Ort fürs Gedenken ist. Die Bedeutung der authentischen Orte werde bestehen bleiben, ist sich Veranstalterin Hanna Huhtasaari sicher. Die Web-Angebote der Gedenkstätten können letztlich nur ein Anreiz sein, um einen Ort wie Auschwitz zu besuchen.

Digitale Web-Angebote gibt es täglich mehr. Vergangene Woche stellte Yad Vashem gemeinsam mit dem israelischen Staatsarchiv über 200 Stunden Filmmaterial des Eichmann-Prozesses auf Youtube. Die Aufnahmen sind nun weltweit zugänglich. Während der Konferenz schrieb das Jüdische Museum die Stelle eines »social media managers« aus. Adäquate Antworten auf Entwicklungen im digitalen Zeitalter?

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025