Ausstellung

Oase der Weiblichkeit

»Lila ist das neue Schwarz«, sagt meine Freundin Caroline und mustert selbstgefällig ihre perfekt gefeilten, manikürten Fingernägel. Alle vier Wochen muss ich mir ihre neuesten Beautyprophezeiungen anhören, wenn sie frisch gestylt, massiert, coloriert und auf Hochglanz poliert dem angesagten neuen Beauty Hotspot entsteigt – der (clever getarnten) örtlichen Mikwe. Betrieben wird sie von den Lubawitschern, die wirklich alles tun, um ihre materialistischen, oberflächlichen, versnobten Schäfchen zurück zum Glauben zu führen. Die Chabad-Mikwe ist ganz nach amerikanischem Vorbild auf Wellness ausgerichtet, bietet neben dem eigentlichen Ritualbad auch Massage und Maniküre, alles unterlegt mit dezent dudelnder Klesmer- und Geigenmusik.

Spirituell Das Jüdische Museum Hohenems widmet dieser faszinierenden Oase der Weiblichkeit vom 9. März bis zum 3. Oktober eine Ausstellung unter dem schön doppeldeutigen Titel Ganz rein! Gezeigt werden Aufnahmen alter Bäder von Peter Seidel sowie »The Mikveh Project«, wunderschöne Fotos von Janice Rubin mit Texten von Leah Lax. Die amerikanischen Künstlerinnen präsentieren Bilder mit flirrigem Unterwasserfeeling, die dargestellten Frauen sind so anmutig wie Schleierschwänze. Die Mikwe als geheimer spiritueller Ort, an dem jüdische Weiblichkeit zelebriert wird – eine Art monatliches Zurück zu den Wurzeln.

Das wirkt faszinierend. Wirklichkeitsnah ist es nicht. Die real existierende Mikwe ist auch und vor allem ein Biotop des Zickenterrors, gefürchteter Ort des monatlichen Cellulitechecks durch Freundinnen und Feindinnen – ungefähr so entspannend wie der Wiegetag bei den Weight Watchers. Ganz zu schweigen vom erbarmungslosen Unterwäsche-Abgleich in der Umkleidekabine. Mindestens La-Perla-Dessous müssen es sein, will man nicht Gefahr laufen, sozial ausgegrenzt zu werden.

Auch andere Bilder der Wirklichkeit spart die Ausstellung aus, etwa die zähneklappernden und blau gefrorenen Mikwe-Besucherinnen, wenn alle paar Monate das Unterwasser-Heizsystem streikt. Es fehlen auch Fotos des interessant in allen Regenbogenfarben schillernden Schleim- und Moosbelags an den Wänden des Ritualbads, wenn das Putzpersonal mal wieder wochenlang krankgefeiert hat. Dafür kommt wenigstens die Person der Mikwen-Aufseherin in Wort und Bild vor. Unsere heißt Madame Benhabib, ein Zerberus, die vor dem Mikwezugang eine gnadenlose Körperkontrolle durchführt: weg mit der Mascara, runter mit der kostspieligen French Manicure sowie sämtlichen Klunkern und Piercings. Alles Jammern hilft nichts, Madame B. ist erbarmungslos.

LUSTVOLL Die im »Mikveh Project« interviewten Frauen geben betörend durchgeistigte Kommentare von sich, reden über den Grat zwischen Reinheit und Versuchung, den Weg vom Mädchen zur Frau, die Besonderheit der Beziehung zwischen Ehepaaren, Müttern und Töchtern. Die Frauen in unserer Mikwe würden das Ritualbad eher als weiteren Termin neben Schule, Ballett- und Reitunterricht, Supermarkt und Fitnesscenter verbuchen, der einmal monatlich abgehakt werden muss. In die Mikwe, günstig gelegen zwischen koscherem Supermarkt und dem Fußballplatz von Makkabi, schaut man kurz zu einer genüsslichen Plotkesrunde herein: vielleicht finden sich ja einige Begleiterinnen für die anschließende Shoppingtour.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe die Mikwe. Bei uns hat gerade ein neues Day Spa mit integriertem Ritualbad aufgemacht, sehr exklusiv, mit eingebauter Jaccuzzi-Funktion und in die Beckenwand eingebettetem HD-Bildschirm. Meine erste Session ist schon gebucht. George Clooney unter sprudelndem Wasser zu bewundern, davon habe ich immer schon geträumt.

»Ganz rein!« Jüdisches Museum Hohenems,
9. März bis 3. Oktober www.jm-hohenems.at

Washington D.C.

Trump sorgt mit Angriffen auf ermordeten Rob Reiner für Empörung

Der jüdische Regisseur sei an einem »Trump-Verblendungssyndrom« gestorben, schreibt der Präsident. Dafür erntet er seltene Kritik aus den eigenen Reihen

 16.12.2025

Nachruf

Filmproduzent mit Werten

Respektvoll, geduldig, präzise: eine Würdigung des sechsfachen Oscar-Preisträgers Arthur Cohn

von Pierre Rothschild  15.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025