»Tatort«

Nina Rubin ist tot

Kamen sich näher: Nina Rubin und die Zeugin Foto: rbb/Aki Pfeiffer

Nina Rubin, die erste jüdische Tatort-Kommissarin, ist tot. Sie starb in der 15. Folge des Berliner Tatorts in der ARD während eines Einsatzes. Die Mutter zweier Kinder hatte ihre schusssichere Weste einer Zeugin überlassen, die bei einer dramatischen Evakuierungsaktion am Berliner Flughafen BER von einem russischen Mafioso – ihrem Ehemann – verfolgt wurde.

Unter Missachtung der gefährlichen Umstände hatte sich Rubin kurz vor Abflug des Privatjets, welcher die Zeugin in ein unbekanntes Land bringen sollte, langwierig von ihrem Schützling verabschiedet, anstatt sich in Sicherheit zu bringen.

fehler Ein Fehler, der die Kommissarin schutzlos dem Aggressor ausliefert und gleichzeitig einen Zweck erfüllt: Nina-Rubin-Darstellerin Meret Becker hatte nach der 15. Folge genug vom Tatort und geht in Zukunft wieder andere Wege. Deshalb (und nur deshalb) musste die Kommissarin sterben.

Ein herber Verlust nicht nur für jüdische Tatort-Fans: Becker spielte die Rolle der raubeinigen Berliner Partygängerin überzeugend selbstverständlich – und auch Rubins Judentum kam wunderbar unaufgeregt daher.

Wie auch immer, Kommissarin Rubin wird fehlen.

In der letzten Folge gibt es eine einzige dezente Andeutung: »Wer keine eigenen Kinder hat, der bleibt in Sachen Liebe doch immer Amateur, hat mein Vater gesagt«, erklärt die Kommissarin und deutet nach oben in den Himmel: »Baruch Haschem!« Erklärt oder kommentiert wird nichts.

RABBINER In anderen Folgen des Berliner Tatorts war der »jüdische Bezug« deutlicher, etwa in Dunkelfeld (2016), als Nina Rubin – wieder einmal das absolute Gegenteil einer jüdischen »Mamme« – beinahe die Barmizwa ihres Sohnes verpasst hätte. Einen Einsatz als Schauspieler hatte damals Walter Rothschild, kein Rabbinerdarsteller, sondern ein Rabbiner als Rabbiner, wie man ihn sich auch an anderen Schauplätzen jüdischen Lebens wünschen würde.

Nina Rubin, wegen ihres Ex-Mannes zum Judentum konvertiert, wird im TV nicht als »die Jüdin« dargestellt. Sie lebt ihre Beziehungen, wie sie es für richtig hält, und sie steht dazu. Bleibt bloß die Frage zum Ende eines Tatorts, in dem ständig von Liebe die Rede ist: Warum verzichtet eine jüdische Mutter auf die Schutzweste und macht ihre Kinder zu Halbwaisen? Oder ist auch das schon wieder ein jüdisches Klischee?

Wie auch immer, Kommissarin Rubin wird fehlen. Hoffentlich treffen wir nach ihrem Tod weitere jüdische Charaktere im Fernsehen an, die niemanden belehren und nichts beweisen müssen.

Der letzte Tatort mit Meret Becker als Nina Rubin »Das Mädchen, das alleine nach Haus‘ geht« ist bis zum 22. November 2022 in der Mediathek der ARD zu sehen.

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 28.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  25.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Menschenrechte

Die andere Geschichte Russlands

»Wir möchten, dass Menschen Zugang zu unseren Dokumenten bekommen«, sagt Irina Scherbakowa über das Archiv der von Moskau verbotenen Organisation Memorial

 25.12.2025

Rezension

Großer Stilist und streitbarer Linker

Hermann L. Gremliza gehört zu den Publizisten, die Irrtümer einräumen konnten. Seine gesammelten Schriften sind höchst lesenswert

von Martin Krauß  25.12.2025

Glastonbury-Skandal

Keine Anklage gegen Bob-Vylan-Musiker

Es lägen »unzureichende« Beweise für eine »realistische Aussicht auf eine Verurteilung« vor, so die Polizei

 24.12.2025

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025