Medizin

Morbus Cohn

Koscheres Essen ist rituell rein – hat aber womöglich Nachteile. Foto: JA

Er gehört vielleicht nicht zu den gefährlichsten, wohl aber sicher zu den unangenehmsten Krankheiten, die man sich vorstellen kann: Morbus Crohn, jene chronische Darmentzündung, die zu Bauchschmerzen und Durchfall führt – in Schüben, die oft wochenlang andauern. Die Zahl der Neuerkrankungen hat in den vergangenen Jahrzehnten in der westlichen Welt erheblich zugenommen, doch über die Auslöser sind sich die Experten nach wie vor im Unklaren: Sind es Bakterien, Viren, Ernährung, Tabakgenuss, oder sind die Ursachen gar psychosomatischer Art?

Nur eines ist bekannt: Morbus Crohn tritt in den USA unter Juden aschkenasischer Abstammung etwa drei- bis viermal so häufig auf wie unter anderen Weißen. Daher liegt für viele Mediziner die Antwort nahe: Die Gene sind’s! Eben dies wollte Robert Desnick, Dekan der Abteilung für Genetik an der Mount Sinai School of Medicine in New York, jüngst mit einer Studie beweisen.

Desnick untersuchte die DNA von 900 aschkenasischen Juden nach Mutationen, die mit Morbus Crohn zu tun haben könnten. Tatsächlich fand er bestimmte Mutationen – die unterschieden sich jedoch nicht von jenen, die sich bei nichtjüdischen Weißen mit Morbus Crohn finden ließen. »Es gibt keinen Unterschied«, musste Desnick denn auch in seinem Bericht einräumen, den er im Juni in der Fachzeitschrift BMC Medical Genetics veröffentlichte. »Also muss der Grund ein anderer sein.«

würmer Vielleicht hat die höhere Anfälligkeit von Juden für die Darmerkrankung ja gar nichts mit den Genen zu tun. Das hält jedenfalls Joel Weinstock für wahrscheinlich. Der Direktor der Abteilung für Gastroenterologie am Tufts Medical Center glaubt, dass Umwelteinflüsse für Morbus Crohn verantwortlich sind – namentlich Hygiene und Ernährung.

Weinstocks Hypothese zufolge ist es gerade die zunehmende Hygiene in den Industrienationen, die die Anfälligkeit für Morbus Crohn erhöht. Früher seien die Menschen durch den engen Kontakt mit Nutztieren wesentlich mehr Keimen und Würmern ausgesetzt gewesen, die sich auch im menschlichen Darm ansiedelten und vor Entzündungen schützten.

Und ein ganz bestimmter Wurm, die Helmithe, setze sich als Parasit vor allem in Schweinefleisch fest – und könne bei dessen regelmäßigem Verzehr auch heute noch der Darmkrankheit vorbeugen, glaubt Weinstock. Und Schweinefleisch essen viele Juden nun einmal nicht.

In der Tat hat eine amerikanische Pharmafirma im Juli ein Patent für ein Morbus-Crohn-Präparat angemeldet, das aus der Helmithe gewonnen wurde und das Immunsystem stärken soll. Doch halten die meisten von Weinstocks Kollegen dessen Hypothese für Unsinn. So etwa der Immunologe Herbert Virgin. Es müssen die Gene sein, ist er überzeugt. Man habe die entsprechenden Mutationen eben nur noch nicht gefunden.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert