100. Geburtstag Hannah Senesh

Mit dem Fallschirm in ihr Todesurteil

Die ungarische Widerstandskämpferin Hannah Senesh Foto: imago/ZUMA Press

Vielleicht wäre sie Dichterin geworden. Oder hätte ihr Glück im Journalismus gesucht wie der Vater. Literarisches Talent jedenfalls hatte Hannah Senesh – und eine Liebe für Literatur. Geboren in eine der folgenschwersten Zeiten für Europas Juden machte eine andere Liebe aus der ungarischen Jüdin eine Widerstandskämpferin: ihre Liebe zum jüdischen Volk.

Die geheime Aktion, an der sie als Fallschirmspringerin teilnahm, sollte die einzige militärische Mission zur Rettung verfolgter Juden bleiben. Sie scheiterte. Hannah Senesh aber gilt bis heute in Israel als Nationalheldin. Am 17. Juli vor 100 Jahren wurde sie unter dem Namen Aniko Szenes in Budapest geboren.

tagebücher »Vielleicht ist es verrückt, vielleicht ist es gefährlich. Es gibt Zeiten, in denen man etwas tun muss, selbst um den Preis seines Lebens«, schreibt Hannah 1943 an ihre Mutter. Hannah schreibt viel. Tagebücher seit dem 13. Lebensjahr bis zu ihrem Tod. Gedichte. »Mein Gott, mein Gott, / lass niemals enden: / den Sand und das Meer, / das Rauschen des Wassers, / die Blitze des Himmels / und das Gebet des Menschen.« Der »Spaziergang nach Caesarea« (1942) ist ihr bekanntestes Gedicht. Als »Eli, Eli«, nach den ersten Worten des hebräischen Texts, ist es in der Vertonung von David Zehavi (1945) zu so etwas wie der zweiten, inoffiziellen israelischen Hymne geworden.

Hannah Senesh gilt bis heute in Israel als Nationalheldin.

Hannah wird in eine assimilierte jüdisch-bürgerliche Familie geboren. Der wachsende Antisemitismus macht aus der Musterschülerin auf einer protestantischen Privatschule eine ambitionierte Zionistin. Hannah lernt Hebräisch und tritt einer zionistischen Jugendbewegung bei. 1939 schließlich wandert sie ins britische Mandatsgebiet Palästina aus, lässt sich nach der Landwirtschaftsschule in Sdot Jam unweit Caesarea nieder, einem Kibbuz, der 1940 von Mitgliedern israelischer Jugendbewegungen mit dem Ziel gegründet worden war, die illegale jüdische Einwanderung nach Palästina zu fördern.

Eigentlich hätte Hannah Senesh sich glücklich schätzen können: Sie war den Nazis und ihrer Verfolgung entkommen. Stattdessen meldet sie sich als Freiwillige in der zionistisch-paramilitärischen Untergrundorganisation Haganah, um auf Rettungsmission nach Europa zurückzukehren. »In meinem Herzen gibt es zwei große Lieben. Eine für mein Volk, die zweite für meine Mutter«, begründet die junge Jüdin ihren Einsatz.

kämpferin »Wir gehen zu unseren Bruedern ins Exil, / zu den Leiden des Winters, zum Frost in der Nacht. / Unsere Herzen werden vom Fruehling erzaehlen, / unsere Lippen singen das Lied des Lichts.« Senesh schreibt diese Worte in Kairo, 1943, als die Briten sie zur Kämpferin ausbilden.

Am 13. März 1944 geht es los. Zusammen mit rund 30 weiteren Freiwilligen springt die 22-Jährige über Jugoslawien in die Nacht, ein paar Tage vor dem deutschen Einmarsch in Ungarn. Alliierte Piloten sollten sie befreien und dann aus dem Untergrund heraus Juden bei der Flucht helfen. »Wir sind zu spät, wir sind zu spät«, habe Senesh geklagt, erinnert sich Reuven Dafni, ebenfalls Teil der geheimen Mission. Es sei das einzige Mal gewesen, dass er sie habe weinen sehen. Inmitten der Welle von Deportationen ungarischer Juden tritt Senesh am 7. Juni über die Grenze, bei sich die Papiere einer gleichaltrigen nichtjüdischen Ungarin.

Am 7. November 1944 wird Hannah Senesh wegen Spionage und Hochverrat hingerichtet.

Wenige Stunden nur ist die geheime Kämpferin in Ungarn auf freiem Fuß. Dann wird sie in Budapest inhaftiert. Eine »Mischung aus Mut und Güte« sei sie gewesen, beschreibt die Mitgefangene Susan Beer die junge Jüdin. Im Gefängnis erfährt sie wiederholt brutale Folter und Befragungen.

Die monatelange Gewalt seit der Festnahme kann die 23-Jährige selbst dann nicht brechen, als sie ihre Mutter verhaften und mit deren Ermordung drohen. Die Verschlüsselungscodes ihres britischen Funkgerätes nimmt sie mit in den Tod. Am 7. November 1944 wird Hannah Senesh wegen Spionage und Hochverrat hingerichtet. Ein Gnadengesuch lehnt sie ebenso ab wie die angebotene Augenbinde. Offenen Auges blickt sie in ihr Erschießungskommando.

Erst später fand man Seneshs letzte Zeilen, eingenäht in die Kleidung. »In einem gewagten Zahlenspiel setzte ich meine Wette. Die Würfel sind gefallen. Ich habe verloren.«

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025